Op.
63 Symphonie Nr. 4 a-Moll
1.
Tempo molto moderato, quasi adagio, 2. Allegro molto vivace, 3. Il
tempo largo, 4. Allegro.
Vollendet 1911; Uraufführung in Helsinki am 3.4.1911 (Das
Orchester der Philharmonischen Gesellschaft zu Helsinki, Dirigent
Jean Sibelius).
Die
vierte Symphonie war die befremdlichste von Sibelius Symphonien,
aber jetzt wird sie, neben der siebenten Symphonie, als ein Höhepunkt
in seinem Schaffen betrachtet. In der Dichte des Ausdrucks, der
kammermusikalischen Durchsichtigkeit und dem kontrapunktischen Können
gehört sie zu den imposantesten Erscheinungen der modernen
Tonsprache ihrer Zeit.
1909
überlegte Sibelius in Berlin eine Stiländerung. Mit diesen Überlegungen
im Kopf begab er sich im September mit dem Maler Eero Järnefelt
nach Karelien, auf den Koli, den „finnischen Berg“, der in der
Nähe der Stadt Joensuu liegt. Die Landschaft des Koligebiets
bedeutete für Eero eine reiche Quelle der Inspiration, und
Sibelius erzählte, er sei „dem Sausen der Winde und dem
Rauschen des Sturmes“ zuhören gegangen. Der Komponist hielt
auch die Reise für eines der grössten Erlebnisse seines Lebens.
„Pläne. La Montagne“, schrieb er am 27. September in sein
Tagebuch.
Im
folgenden Jahr unternahm Sibelius wieder eine Reise in Karelien.
Diese führte nach Viborg und Imatra und er war der Reisebegleiter
seiner Freundin und Förderin Rosa Newmarch. Newmarch erinnerte
sich, dass Sibelius leidenschaftlich versuchte, die Orgelpunkte
des berühmten Wasserfalls von Imatra und anderer
Naturerscheinungen zu hören.
Es
gab auch andere Ziele. Nachdem Sibelius von seiner Reise zurückgekehrt
war, wollte er seine kontrapunktischen Fähigkeiten entwickeln,
weil „der Klang in hohem Grad auf dem rein musikalischen Satz
und dessen Polyfonie beruht“, wie er schrieb. In den
Aufzeichnungen gibt es viele Gedanken über die Notwendigkeit der
Kontinuität des Klanges. Da es im Orchester, im Gegensatz zu
einem Klavier, kein Pedal gibt, wollte Sibelius dieses durch eine
noch geschicktere Orchestration ersetzen.
Noch
einer dritten Impression aus der Natur – eines Sturmes in den
Schären an der Südküste – bedurfte es, um das sinfonische
Schmieden in Gang zu setzen. Im November 1910 bearbeitete er die
Symphonie und sein Werk zum Gedicht „Der Rabe“ von Edgar Allan
Poe, das er Aino Achté versprochen hatte. „Der Rabe“ wurde
nicht vollendet, aber die Stimmungen und Skizzen zum Gedicht
beeinflussten die vierte Symphonie.
Die
Uraufführung der Symphonie fand am 3. April 1911 in Helsinki
statt. Die modernste und introvertierteste Symphonie von Sibelius
verwirrte das Publikum so, dass der Applaus gedämpft war.
„Ausweichende Blicke, Kopfschütteln, verworrenes oder heimlich
ironisches Lächeln. Nicht viele Gratulanten kamen in die
Garderobe”, erinnerte sich Aino Sibelius. Auch die Kritiker
waren verwirrt. „Alles war eigentümlich“,
fasste Heikki Klemetti die Stimmung zusammen. Dieselbe
Verwirrung setzte sich in den folgenden Jahren weltweit fort.
Sibelius
blieb jedoch ruhig und brachte sein Meisterwerk nach der Uraufführung
in Druckfassung. Die vierte Symphonie ist eines der grossen
Meisterwerke des 20. Jahrhunderts und eines der großartigsten
Werke von Sibelius. Sie gehörte zu der modernsten Musik ihrer
Zeit und von allem, was an Ästhetisierung und Künstelei
erinnerte, war Abstand genommen worden.
Die
übermäßige Quarte, der Tritonus, kann als eine Art Motto dieser
Komposition betrachtet werden. Das schmackhaft ritzende Intervall
schafft Spannung in jedem der vier Sätze der Symphonie. Die
Stimmung wechselt von fröhlichen Impressionen zu kargem
Expressionismus. Jeder Satz löst sich in Stille auf. Man ist
jetzt höchstmöglich weit entfernt von den Triumpfen der Finale
der zweiten und dritten Symphonie.
Erik
Tawaststjerna sprach gern von den Verbindungen zwischen der
vierten Symphonie zu Edvard Munchs Kunst. Sibelius kann sehr wohl
die ziemlich umfangreiche Ausstellung Anfang des Jahres 1909 im
Athenäum gesehen haben. Auch die, von Reduktion geprägte Bildkunst
eines Emil Nolde (1867-1956) – karge Farben und ekstatische
Kraft – kann als
eine stilistische Parallelerscheinung betrachtet werden. Trotzdem
ist die Symphonie weder expressionistisch noch impressionistisch,
obwohl beiden Kunstrichtungen darin tangiert werden.
Die
vierte Symphonie scheint die Hörer oft geradezu zu schockieren
und die Analysen werden Philosophie. Als ob Sibelius gerade in den
Kern der Gnadenlosigkeit des Lebens eindränge und diesen Kern ans
Licht zöge, ohne irgendeinen falschen Trost anzubieten. Er hatte
ja ein paar Jahre vorher sozusagen dem Tod in die Augen geschaut,
als ein Tumor operativ aus seinem Hals entfernt worden war.
Der
erste Satz ist nach den Prinzipien der Sonatenform gedacht; nicht
nach irgendeiner Regelsammlung. Kai Maasalo stellte fest, dass
„Sibelius nicht mehr ‚Sonatenformen‘ baut, (…) sondern die
Idee ihrer Formen ausnutzt: den Kontrast, die Mannigfaltigkeit und
die Entwicklung der Themen – nur dieses Wesentliche ist übrig.“
So gibt es einen guten Grund, Fachausdrücke wie „Hauptthema“
und „Seitenthema“ in Anführungszeichen zu setzen.
Der
erste Satz der Symphonie (Tempo molto moderato, quasi adagio)
beginnt im Fortissimo mit einem c-d-fis-e –Tongang mit den
teifer klingenden Streichern und dem Fagott. Dieselben Töne sind
im ersten Satz der dritten Symphonie in der Ordnung c-d-e-fis zu
finden.
Jetzt
klingt der Tritonus c-fis schriller als zuvor. Es ist seine
Aufgabe jedoch nicht, die Philister zu irritieren. Der Tritonus
wird hier ein Teil der Ganztonskala, und die sinfonische Spannung
ist in der vierten Symphonie weitgehend durch den Konflikt in der
Dur-Moll-Harmonik und das Denken in Ganztonskalen verursacht.
Im
Anfangsmotiv bewahrt ein Teil der Kontrabässe das c als einen
Orgelpunkt. Würde es sich um eine Reminszenz an den Augenblick
handeln, als der Komponist sich die Orgelpunkte der
Imatra-Stromschnellen anhörte? Sibelius erwähnte, dass der
Anfang so wie „Schicksal, weg mit aller Sentimentalität“
gespielt werden müsste.
(Notenbeispiel
16)
Die
Fis-E-Pendelbewegung setzt sich fort, wenn das Cello das „Hauptthema“
präsentiert, das die Tonart als a-Moll enthüllt. Das Cello
bewegt sich in den Tönen a-c-e-g der kleinen Septime.
Die
kanonische Entwicklung leitet auf das C-Dur zu, aber die Tonart lässt
sich schwer klarmachen, und der ärgerliche cis-Ton
erinnert an die Unsicherheit des Sieges. Wenn das fis des Pendels
noch zurückkehrt, sind wir im Fis-Dur und bei einer Episode, die
von einem Teil der Forscher das „Seitenthema” genannt wird.
(Notenbeispiel
18)
Bald
signalisieren die Waldhörner Naturstimmungen. Jetzt folgt das „parzifalische
Motiv“ der Blechblasinstrumente, das Sibelius seinem
Schwiegersohn Jussi Jalas gegenüber „eine
Widerspiegelung des Schicksals“ nannte.
(Notenbeispiel
19)
Das
„Hauptthema“ und das „Seitenthema“ werden gleichzeitig
entwickelt. Es entsteht eine
schwindelnde Stimmung, wenn die hohen Streicher allein ihr
Muster sägen, als ob sie die Bodenhaftung verloren hätten. Dies
könnte eine Reminiszenz einer Melodie sein, die Sibelius schon in
seinen Studienjahren an I. K. Inha schrieb, um diesen zu weiterem
Phantasieren zu anzuregen.
Bald
bringt Sibelius Klanggespritze und fragmentarische Motive hervor
wie am Anfang des Finale der dritten Symphonie. Die
Instrumentengruppen werden wie separate Kammerorchester behandelt.
In reprisenartiger Sequenz werden wieder die Naturvision der Waldhörner
und das „Schicksalmotiv“ der Blechbläser erlebt.
Die
expressionistische Schicksalshaftigkeit scheint sich in
impressionistische Naturvisionen zu verwandeln, aber es gibt keine
Sicherheit für eine Naturidylle: der Kontrabass kracht am Ende
und die am Anfang gehörte Variation des Viertonmottos
verschwindet in die Ferne.
Der
zweite Satz (Allegro molto vivace) könnte nicht verspielter
beginnen. In der Oboemelodie erhält der Tritonus F-h eine
lydische Tönung, und die Violinen antworten anfangs mit reinen
Quarten.
(Notenbeispiel
20)
Die
Oboe und die Streicher führen ihren Dialog, bis das harmlos
rhytmische Spiel der Streicher die Szene erobert. Bald enthüllt
der Tonwirbel, der immer tiefer führt, dass es unter der
scherzhaften Oberfläche am Grund düstere Strömungen geben könnte.
Licht
und Schatten setzt sich fort, bis das walzerähnliche Motiv der Flöten
den leichten Stil zu stabilisieren scheint. Das anfängliche
Wechselspiel von Oboemelodie
und die Antwort der Streicher werden wiederholt, aber durch
Verminderung des Tempos sammelt Sibelius einen Teil von kleineren
Motiven in einem ganz neuen, dramatischen Licht zusammen. Das
F-h-Intervall fängt an, sich schärfer zu wiederholen, und der
Komponist hatte seinem Schwiegersohn ja gesagt, dass es geradezu
„brutal“ gespielt werden sollte. Das scherzhafte Thema wird
„demonisiert“, schrieb Erik Tawaststjerna. Erkki Salmenhaara
hat von einer Verdrehung des Themas gesprochen, so wie die
menschlichen Gesichter in Emil Noldes Gemälden verzerrt wären.
Der Satz verschwindet mit dem dumpfen Schall dreier Pauken ins
Leere.
Der
dritte Satz (Il tempo largo) gehört zu den langsamsten Sätzen in
den Symphonien von Sibelius und zugleich zu den originellsten.
Sibelius hat ein großartiges Thema im Sinn, aber erst nach und
nach enthüllt er es, als ob es einer Improvisierung entspränge.
Jeder
Enthüllungsversuch wird durch ein Sechzehntelmotiv eingeleitet.
Ebenso wichtig wie die Enthüllung des Themas ist das allmähliche
Aufklaren der cis-Moll-Tonart.
(Notenbeispiel
21)
Die
Waldhörner suchen schon die thematische Grundidee, dann werden
die Anfangsmotive variiert. Die Streicher präsentieren das Thema
etwas weiter, aber das Geheimnis wird immer noch nicht gelüftet.
Wieder die Sechzehntelmotive mit den Holzblasinstrumenten, aber in
neuem Licht. Die Streicher bewegen sich in Kombinationen von
Quinten, während die Celli das Hauptthema vollendeter als vorher
spielen.
Aus
den Motiven der Holzblasinstrumente wird endlich eine Begleitung,
die sich in Terzen bewegt, und jetzt bekommt das Thema seine
ausgedehnteste Form. Noch eine Synthese von allem Erlebten und das
Thema entfaltet in einem kernhafteren und dramatischeren Ausdruck
seine reichste Form. Das Geheimnis ist verraten!
(Notenbeispiel
22)
Ein
zäher cis-Orgelpunkt bindet die kleineren Schlussmotive zusammen.
Gibt es nach dem Lüften des Geheimnisses nur noch Leere?
Vielleicht nicht ganz, weil der Satzschluss schon die Einleitung
des folgenden Satzes ankündigt.
Der
vierte Satz (Allegro) beginnt ebenso verspielt wie der zweite. Es
ist, als ob die Welt noch nicht wüsste, was im dritten Satz schon
verraten wurde.
(Notenbeispiel
23)
Nach
dieser Einleitung kommen die aphoristischen Motive, die Sibelius
zu etwas Größerem entwickelt: die Violinen wachsen sich, vom
Tritonus in Schwung gebracht, zu einer reinen Quinte aus, das
Glockenspiel bimmelt seine eigene Replik, die Violinen antworten
und bald sägen die Celli ihr „Affettuoso“-Motiv. Das Signal
der Flöten und der Oboe in Es-Dur über dem A-Dur-Rauschen der
Streicher erinnert daran, dass die Idylle vergänglich ist. Die
dunkler werdenden Farben führen diese Elemente in einen Kampf. In
der Überleitung wird das Tempo ruhiger und die Waldhörner blasen
ein choralartiges Thema.
(Notenbeispiel
24)
Gibt
es eine Rückkehr ins verlorene Paradies, in eine Zeit der
Unschuld? Anscheinend nicht. Davon erzählt das Material, das Erik
Tawaststjerna mit den Skizzen des Rabe-Orchesterlieds verknüpft
hat.
Die
Elemente der Eingangsidylle bekommen eine immer dunklere Farbe.
Auf eine meisterhafte Weise lässt Sibelius die Bewegungsenergie,
mit Rücksicht auf den Widerstand der Materie, versiegen. Die
letzte Partiturseite ist eine der berühmtesten bei Sibelius. Die
Streicher leiten uns auf „den Weg ins Leere“, wie Erik
Tawaststjerna es beschrieben hat. Dreimal fragt die Flöte – und
dreimal antwortet die Oboe stechend, gnadenlos – oder doch
vielleicht auch mitfühlend? Die Reise vom A-Dur des Satzanfanges
ist lang gewesen, und was bleibt übrig? Nicht mehr als eine
anspruchslose a-Moll-Kadenz.
„Det
är synd om människorna, Schade um die Menschen“, zitierte
Sibelius August Strindberg, als er von dieser Symphonie sprach.
(Notenbeispiel
25)
Der
Kampf ist vorbei, aber der Schluss ist nicht eindeutig. Wenn
Tawastsjerna das Ende mit der „nevermore“-Stimmung in Poe‘s
Gedicht „Der Rabe“ verknüpft, so haben von den Dirigenten
wenigstens Neeme Järvi und Osmo Vänskä es für optimistisch
gehalten! Leif Segerstam seinerseits hat es als ein Trauergeleit
erlebt, das an dem Hörer vorbeigeht und sich in die Ferne
fortsetzt.
Obwohl
die Tritonus-Motive der vierten Symphonie die Tonalität von Dur
und Moll erschütterten, wollte Sibelius nicht darauf verzichten.
Nachdem die vierte Symphonie vollendet war, stand Sibelius an
einer Grenze, hinter der ihn entweder „Irrtum oder Chaos“
erwarten würden, wie er später Walter Legge erklärte.
Diese
Grenze war er nicht bereit zu überschreiten, anders als die
Atonaliker und Arnold Schönberg, der das tonale System durch die
eisernen Gesetze der 12-Tontechnik ersetzte.
Diese
Art, das Chaos zu vermeiden, passte Sibelius nicht. Die fünfte
Symphonie würde in der Harmonie traditioneller sein, in ihrer
Form aber immer meisterhafter und konzentrierter.
Kommentare
zu der vierten Symphonie
„Das
Motiv der Symphonie ist eine Reise zu dem berühmten Berg Koli,
der sich 252 Meter über die Oberfläche des Pielisjärvi-Sees
erhebt (…) [Der erste Satz
beschreibt den Berg Koli und den Eindruck, den er macht. Im
zweiten Satz befindet sich der Komponist auf dem Berg. Unter sich
sieht er den Pielisjärvi-See. Die Sonne strahlt ihr Gold über
den See, dessen spielende Wogen mit tausenden Versen seine Freude
und lebenschenkende Kraft widerspiegeln. Der dritte Satz schafft
vor uns ein mächtiges Panorama in Mondscheinbeleuchtung, ein
poetisches Gemälde, das man wagt zu zeigen. Das Finale stellt die
Rückkehr dar. Wo der Komponist wandert, scheint die Sonne, aber
aus dem Nordosten, aus der Nähe des Weissen Meeres, nähert sich
ein aufwirbelnder Schneesturm. Ganz nahe kommt er nicht, aber der
Kontrast zwischen der sonnigen Umgebung und dem mächtig drohenden
Schneesturm ist imposant. Dieses Finale hat ein bisschen
touristischen Nebengeschmack. Diese
mächtige Verbindung, in die Sibelius sich früher in seinem Verhältnis
zu unserem Volk und seinem Nationalepos gesetzt hatte, die ihn so
stark und groß gemacht hat, dieses Band gibt es nicht in der
vierten Symphonie.“
Bis,
Pseudonym für Karl Fredrik Wasenius, Kritiker, Hufvudstadsbladet
1911
„Die
Vermutungen des Pseudonyms Bis, die meine neue Symphonie betreffen,
sind nicht richtig. Ich ahne, dass sie mit dem topographischen
Bericht verknüpft sind, den ich in dieser Absicht einigen
Freunden am 1. April erstattete.“
Jean
Sibelius in Hufvudstadsbladet 1911
„Es
möge der Zukunft vorbehalten sein, zu entscheiden, ob der
Komponist eventuell mit der melodischen Zusammensetzung einiger
Motive jene Grenze überschritten hat, die eine gesunde natürliche
Musikalität dem Spiel mit den Intervallen der Melodie instinktiv
setzt.“
Heikki
Klemetti, Kritiker, 1911
„Als
Ganzes kann man diese Symphonie für einen Protest gegen den
herrschenden Musikstil halten… vor allem den Stil, der in
Deutschland, im Heim der Symphonie herrscht, weil dort die
instrumentale Musik dabei ist, sich zu bloßer Technik zu
entwickeln, zu reiner Ingenieurkunst, die mit ihren riesigen
Werkzeugen ihre eigene innere Leere verhüllen will.“
Axel
Carpelan, Freund von Sibelius, 1911
„Kriegserklärung
gegen die Oberflächlichkeit, Bewunderung äußerer Mittel, leere
Machteffekte und Übermacht des Materialismus, die dabei sind, die
moderne Musik zu verschlucken.“
Evert Katila,
Kritiker, Uusi Suomi 1911
„Sie
ist gleichsam ein Protest gegen die heutigen Kompositionen. Es
gibt wirklich kein bisschen Zirkus darin.“
Jean
Sibelius an Rosa Newmarch 1911
„Mir
scheint, als ob sich Sibelius als Symphoniekomponisten jetzt ganz
neue Welten öffneten, die bisher noch niemandem gezeigt worden
sind und die er allein mit seinem erstaunlich hochentwickelten
Ton- und Farbensinn zu sehen und anderen Leuten darzustellen
vermag.“
Oskar
Merikanto, Kritiker, Tampereen Sanomat 1911
„Wir
haben gute Gründe, den Stil der vierten Symphonie Expressionismus
zu nennen. Denn in diesem Werk hat der Strich eine herrschende
Stellung. (…) Die vierte Symphonie hat ihre gesunde Wirkung und
sie enthält einen leisen Protest gegen allen hohlen
Impressionismus, alle geschmacklose Instrumentation und allen ordinären
Naturalismus.“
Erik
Furuhjelm, Biograph, 1916
„In
diesem Werk gibt es auch keinen Trotz, keinen absichtlichen
Versuch, die Philister einzuschüchtern. Sibelius ist nur er
selbst, er komponiert meisterhaft und unkonventionell. (…) Fast
könnte man glauben, dass diese Symphonie die wahrhaftigste und
natürlichste Partitur der Gegenwart ist.“
Olin
Downes 1931
„Die
Symphonie in A-Moll vertritt, vielleicht zusammen mit der
siebenten, den bisher markantesten Höhepunkt im Schaffen von
Sibelius.“
Cecil Gray 1935
„Ich
bin zufrieden, dass ich sie geschrieben habe, denn ich kann darin
immer noch keine einzige Note finden, die ich streichen könnte
und auch finde ich nichts hinzuzusetzen. Das erfüllt mich mit
Kraft und Zufriedenheit. Die IV. Symphonie repräsentiert einen
wesentlichen und grossen Teil von mir; ja, ich bin schon froh,
dass ich sie geschrieben habe.“
Jean
Sibelius in den 1940-Jahren
„Die
vierte ist nach meiner Auffassung eines der großen Werke der
symphonischen Literatur in unserem Jahrhundert.“
Harold
Johnson 1959.”
”Sibelius
hat die Monumentalität des Antimonumentalismus geschaffen. Die
vierte Symphonie gehört zu den bedeutendsten Dokumenten des
Zeitalters der Psychoanalyse“.
Erik
Tawaststjerna, Forscher, 1971
„Die
Symphonie Nr. 4 in a-Moll, op.63 ist ein Werk, in dem Sibelius dem
Expressionismus am nächsten kommt. Sofort muss aber hinzugefügt
werden: dem introvertierten Expressionismus (…) Sie war die
psychoanalytische Seelenbeichte eines kreativen Subjekts, die nur
ein einziges Mal abgelegt werden konnte.“
Erkki
Salmenhaara 1984
„Die
Symphonie hat neben Stravinskys Sacre, Schönbergs Pierrot Lunaire,
Debussys Jeux, Skrjabins Prometheus ihre unbestreitbare Stellung
unter den Schlüsselwerken des Zeitalters der ‚modernen‘ Musik.“
Veijo
Murtomäki, Forscher, 1990
„Die
Zeit der vierten Symphonie war schwierig für Sibelius, und das
kann man auch aus diesem Stück heraushören. In der Musik gibt es
viele Fragen und nur wenige Antworten (…) Wir bewegen uns jetzt
in tiefen Gewässern: die Musik erzählt, dass das Leben trotz
aller Schwierigkeiten weitergeht. Wir sind in Höheren
Händen. Die Existenz des Göttlichen darf nicht vernachlässigt
werden.“
Osmo
Vänskä, Dirigent, 1998
„Sie
ist so ein Geistesblitz, dass eine so funktionierende, originelle
und kompakte Konzeption in jener Zeit kaum anderswo zu finden ist.
So eine dichte Ganzheit und trotzdem befindet man sich in den
Dimensionen des Raumes!“
Jukka-Pekka
Saraste, Dirigent, 2002