Nur
wenigen großen Komponisten wurde so häufig wie Sibelius
vorgeworfen, dass sie kleinformatige Musikstücke für Klavier und
Violine komponiert hätten. Miniaturen, anstatt sich auf große
Orchesterwerke, vor allem auf das Komponieren der Symphonien zu
konzentrieren. Für Sibelius selber war es kein ästhetisches
Problem, denn er stellte in seinem Tagebuch fest (16.5.1910):
„Das Grosse und das Kleine müssen miteinander verbunden werden,
die Symphonien und die Lieder.” Jedoch ist es absurd, einem
professionellen Komponisten vorzuwerfen, dass er seine Werke
komponierte, um Geld zu verdienen, wenn das für ihn die einzige Möglichkeit
war, seine Familie zu versorgen. Was hätte er in seiner Situation
tun sollen, da er für eine große Familie verantwortlich war? Nur
Symphonien komponieren und seine Familie verhungern lassen?
Die
meisten von denen, die Sibelius’ Klaviermusik kritisierten,
waren Musikschriftsteller oder Kritiker. Die Pianisten dagegen,
die sich intensiv mit der Musik selbst auseinandersetzten, lobten
ohne Ausnahme den eigenständigen und wirksamen Klavierstil von
Sibelius.
Die
Pianisten dagegen von Ilmari Hannikainen bis Glenn Gould, Erik
Tawaststjerna und Eero Heinonen haben den pianistisch originellen
Schreibstil von Sibelius für eine interessante Herausforderung
gehalten und stellten Sibelius’ Fähigkeit, sein Instrument zu
beherrschen, niemals in Frage. Nach Gould hat „Sibelius nie
gegen die typischen Eigenschaften des Klaviers geschrieben… …
In seiner Klaviermusik ist alles praktisch, alles klingt – aber
nach eigenen Regeln.“ Gould’s abschließende Aussage war
absolut positiv: „Sibelius ist es gelungen einen bedeutenden
Beitrag für das viel zu begrenzte Klavierrepertoire des spätromantischen
Zeitalters zu schaffen.“ Nach Meinung von Eero Heinonen „gibt
es sehr wohl technische Schwierigkeiten, aber der Klaviertext ist
im Allgemeinen klangvoll und nuancenreich – kann aber mit keinem
anderen Klavierstil gleichgesetzt werden.
Durch
etliche unachtsame Äußerungen dürfte Sibelius seinen Kritikern
Munition geliefert haben. Er sagte z. B. seinem Schüler Bengt von
Törne (1937): „Ich komponiere in meiner Freizeit Klavierstücke…
eigentlich interessiert mich das Klavier nicht, denn es kann nicht
singen.“
Demgegenüber
äußerte der Sekretär Santeri Levas (1960) „Sibelius selbst
hatte eine ganz andere Auffassung von seinen Klavierstücken. Er
schätzte sie sehr und hielt den Standpunkt der Musikwelt für
ungerecht. ... ‚Ich weiß, dass sie eine sichere Zukunft haben,
ich weiß es ungeachtet dessen, dass sie in diesem Moment total in
Vergessenheit geraten sind.’… Sibelius fügte noch hinzu, dass
seine eigenen Klavierstücke vielleicht eines Tages genau so
beliebt sein würden, wie die von Schumann.“
Was
Sibelius Levas gegenüber äußerte, muss der Wahrheit nahe kommen.
Sonst hätte Sibelius kaum das Klavier sein ganzes Leben lang als
Werkzeug, als ein Instrument der Praxis, verwendet, mit dem er
improvisierte und dadurch neue Ideen für seine Kompositionsarbeit
bekam. Die pianistischen Fertigkeiten von Sibelius waren laut
zeitgenössischen Zeugen beachtlich, denn er konnte mit seinen
fantasiereichen Improvisationen seine Zuhörer faszinieren, obwohl
er kein Berufspianist war. Außerdem wäre sein Benehmen ziemlich
seltsam gewesen, wenn er das Klavier nicht gemocht hätte, aber
dennoch auf „masochistische Art“ eine enorme Menge Musik
komponiert hätte, in der das Klavier entweder das Soloinstrument
oder ein Teil einer kammermusikalischen Komposition war. Es muss
beachtet werden, dass Sibelius insgesamt über 150 Klavierwerke
komponierte, von denen der größte Teil (ca. 115) mit Opusnummern
veröffentlicht wurde und ca. 35 unveröffentlicht blieben. Außerdem
schuf er ein paar Dutzend Arrangements seiner Orchesterwerke für
Klavier; Lieder mit Klavierbegleitung gibt es ungefähr 110 und
dazu kommen noch über fünfzig kammermusikalische Werke mit
Klavier (für Violine und Klavier, Cello und Klavier, Klaviertrios
und Klavierquartette, ein Klavierquintett). In mehr als der Hälfte
von Sibelius' Kompositionen findet das Klavier Verwendung,
insgesamt in ungefähr 350 Werken.
Wenn
Gray der Meinung war, dass von den Klavierwerken, über die
Bedeutungslosigkeit hinaus, keine Entwicklung festzustellen
gewesen sei und dass die letzten Klavierkompositionen eindeutig
schwächer als die früheren gewesen seien, dann ist Erik
Tawaststjerna anderer Meinung. Nach ihm (1955) „sind viele
Klavierkompositionen von Sibelius sowohl von der Formgestaltung
als auch von der musikalischen Substanz her sehr bemerkenswert und
ein für die Natur des Instruments gut passender persönlicher
Klavierstiel ist charakteristisch für diese Werke. Die Ganzheit
der Klavierkompositionen ist durch dieselbe allgemeine Tendenz
gekennzeichnet wie die größeren Werke des Komponisten.“
Dieser
Ansicht kann man sich anschließen. Sibelius’ Klaviermusik folgt,
genau wie seine sonstige Produktion, der Stilentwicklung des
Komponisten, die man in sechs Perioden einteilen kann. Die erste
Periode ist die „Kammermusikperiode“ des jungen Sibelius (ca.
1881–1891), als er sich die klassisch-romantische Formen- und
Ausdruckswelt aneignete. Während der zweiten, sogenannten „nationalromantischen“
Periode (ca. 1891–1902) wurde die Musik von Sibelius chromatisch
und bildete eine interessante Synthese von mitteleuropäischen und
finnischen Elementen aus. Während seiner dritten, „neoklassizistischen“
Periode (ca. 1902–1908) näherte Sibelius sich den klassischen
Idiomen, obwohl auch Kalevala-Romantik und Symbolismus seine
Produktion gekennzeichneten. In seiner vierten Periode, dem „modernen
Klassizismus“ (ca. 1908–1919) entstanden Sonatinen und
Rondinos. Zur selben Zeit erschienen impressionistische und
expressionistische Tendenzen in der Musik. Die fünfte – seine
letzte aktive Schaffensperiode (ca. 1919–1929) – war die Zeit
„des synthetischen Universalstils“, in dem die durch die
Verehrung der Antike entstandene Plastizität, modale Tonalität,
der Naturmystizismus und die Tonmeditation, traditionelle Elemente
und der radikale Modernismus in sich zusammenfließen. In der
letzten Periode (1929–1940er Jahre) entstand nur wenig, aber dafür
sehr originelle Musik.
Frühe
Klavierwerke
Sibelius'
Kompositionen der ersten Periode sind typisch gesellschaftliche
und situationsbedingte Musik, die er für die Bedürfnisse seines
Umfelds, seiner Geschwister und Freunde komponierte. Die Anzahl
der Stücke wuchs in dem Maß, wie man begann, die Handschriften
ernsthaft wissenschaftlich zu erforschen; beinahe alle von über
50 Klavierwerken aus dieser Periode sind unveröffentlicht.
Hierher gehören auch Harmonie- und Themenübungen wie auch
Sonatenfragmente.
Im
frühesten Klavierwerk, auf das ein Datum gesetzt werden kann, Con moto, sempre una corda, gibt es eine Anmerkung „Minne af J. S.
1885“. Es ist pianistisch anspruchsvoll und abenteuerlich, ein
Salonwerk, das den Charakter von Mazurka, Walzer und Scherzo
kombiniert und prachtvolle, präzisierte Fermaten im Stil
Liszt’s beinhaltet. Drei Klavierstücke (Sommer 1887) – Andante
Es-Dur, Aubade und Au crépuscule – sind bezaubernde, möglicherweise auf Grund von
Improvisation und symptomatischen Naturerlebnissen entstandene,
farbenfrohe Fantasien. Aus demselben Sommer stammt das fünfteilige
Werk Die Sehnsucht (Trånaden),
das für Klavier und Sprecher geschrieben ist. Es dauert beinahe
20 Minuten und ist eines der umfangreichsten Klavierwerke von
Sibelius. Es enthält eine eindrucksvolle Sturmszene und frühe
Zeichen eines reifen Stils, wie in der Symphonie
Nr. 5. Valse à Betsy Lerche (1889) ist ein spannendes, vielseitiges Werk,
das der damaligen Angebeteten gewidmet war. In der Komposition
werden die Phasen eines Liebesabenteuers geschildert: Die der Einführung
„Introductionen“
folgenden Episoden heißen „douce“,
„avec force“, „à la
Betsy“, „avec passion“
– und „adieu!“.
Das vierteilige, relativ umfangreiche Werk Florestan
(1889) hat Einflüsse von Schumann. Das Niveau liegt zwischen
leicht und ziemlich schwierig. Die Musik ist phantasiereich mit
romantischen und „sibelianischen“ Elementen. In Berlin
entstanden eine Menge von Sonatenexpositionen und ein
Sonatenallegro in E-Dur (1889–1890), das sowohl pianistisch
impressiv ist, als auch den zukünftigen Stil des Komponisten mit
seinen harmonischen Pausen und seiner Naturbezogenheit, ankündigt.
Sechs
Impromptus für Klavier (Kuusi impromtua pianolle) op. 5
(1890–93) In
der ersten Periode (1891–1902) seiner Berufskarriere hat
Sibelius sehr wohl an die Schaffung eines karelischen/karelianistischen
Klavierstils denken können. In
Sechs Impromptus für Klavier (Kuusi impromtua pianolle)
(1890–93) kann man die Reise, die Sibelius in Karelien gemacht
hat und auf der er traditionelle Volksgesänge sammelte, hören.
In den Stücken sind Einflüsse von Kantele und ostfinnischen/karelischen
Tanzmelodien zu erkennen. Man sollte sich daran erinnern, dass
Sibelius das finnische Nationalinstrument spielen konnte und
manche von seinen Kantele-Auftritten sogar dokumentiert wurden.
Beweise seiner Vertrautheit sind Walzer/Berceuse
für Violine und Kantele in e-Moll (1899) und zwei Stücke für
Solokantele: Moderato a-Moll
(1896–98) und
Dolcissimo a-Moll (1897–98).
Impromptu
Nr. 1, g-Moll (Moderato). Bescheidenes,
klangvolles Eröffnungsstück, dessen Themateil für „ein
musikalisches Symbol der Sibelius-Heimat, Finnland“ gehalten
wurde (Ostrowsky).
Impromptu
Nr. 2, g-Moll (Lento-Vivace). Nach
den Eröffnungsklängen ist der Trepak-Tanz zu hören, dessen
Zwischenteil schnell (Più
vivo) und in G-Dur ist.
Impromptu
Nr. 3, g-Moll (Moderato/Alla marcia). Ein
märchenhafter Marsch, der etwas an Grieg erinnert und dessen
mittleren Satz Sibelius besonders mochte. Ernst Lampén berichtet:
„Sibelius hatte gerade seine sechs Impromptus komponiert… Er
spielte sie auf dem Klavier und spielte immer wieder den mittleren
Teil des 3. Impromptus, dessen Motto dolcissimo ist. Sibelius war
äußerst zufrieden, speziell mit dieser Stelle, uns hat sie auch
sehr gefallen und wir wurden nicht müde sie anzuhören. Seine
Musik war damals neu und fremd, aber diese Impromptus haben wir
sofort begriffen und sie enorm genossen.“
Impromptu
Nr. 4, e-Moll (Andantino). Ein auf Wechsel und Wiederholung von
zwei Themen beruhendes melancholisches Märchen. Man soll der
Nachahmung des zweiten, zuerst im Diskant mit der linken Hand
gespielten Themas, Aufmerksamkeit schenken.
Impromptu
Nr. 5, h-Moll (Vivace). Hier
handelt es sich um lauten-, harfen- oder kanteleartige, sprudelnde
Arpeggiomusik, die an Liszt’s Klavierstück Die
Springbrunnen von Villa d'Este (Les jeux d'eaux à la Villa
d'Este) erinnert. Dieses
Stück wie auch das folgende sind Arrangements aus dem Melodram
aus „Nächte der
Eifersucht“ (Melodram ur Svartsjukans nätter) (1888).
Impromptu
Nr. 6, E-Dur (Comodo). Ein
entzückend schaukelnder Salonwalzer, dessen letztere Hälfte in
e-Moll übergeht.
Sonate
F-Dur, op. 12 (1893).
Uraufführung
am 17. April
1895 in
Helsinki, Oskar Merikanto. An
der einzigen Klaviersonate von Sibelius wurde oft bemängelt, dass
sie ein Klavierarrangement eines Orchesterwerks sei. Aber nach
Ansicht des Mitbegründers der finnischen Klavierschule, Ilmari
Hannikainen, der Schüler des russischen Meisterpianisten
Aleksandr Siloti (seinerseits ein Schüler von Liszt) war, ist „die
Klaviersonate in F-Dur eine hervorragende Komposition. Frisch
und voll von Leben... Ich habe manchmal über den orchesterartigen
Klang der Sonate reden hören (von Tremoli mit der linken Hand)…
Meines Erachtens kommt der echte Sibelius-Klavierstil in der
Sonate hervorragend zum Tragen. Hier handelt es sich überhaupt
nicht um Tremoli, sondern alles, was so aussieht, muss tatsächlich
als Achtelnoten, Sechzehntelnoten gespielt werden, wie z.B.
in Beethovens Klaviersonaten... ... Die F-Dur
Sonate ist, wenn gut und sorgfältig geübt und vorgetragen,
eine wirkliche Virtuosennummer.“
1.
Satz (Allegro Molto). Der Eröffnungssatz ist wuchtig orchestral,
geradezu brucknerisch und erinnert an die Musik von Kullervo,
Eine Sage (En Saga, Satu)
und Karelia. Hier
spielen Orgelpunkte, Tremoli und Ostinati eine bedeutende Rolle.
Karelianistische Klaviermusik von Sibelius.
2.
Satz (Andantino). Das dreimal sich wiederholende Hauptthema beruht
auf dem unvollendeten Männerchorgesang im b-dorischen Modus Stau', o Sturz, dein Überschäumen (Heitä, koski, kuohuminen) (40.
Gedicht im Kalevala). Die Musik ertönt aufbauschend und in
singender Traurigkeit. Zwei Mal (cis- und f-äolischer Modus) wird
sie durch einen leise klingenden Kantele-Tanz (presto)
unterbrochen.
3.
Satz (Vivacissimo).
Dieser
Satz ist ein auf dem Wechsel von einem Trepak-rhythmischen und
einem lyrischen Thema beruhendes stürmisches Finale, dessen
Bewegungsenergie wild ist. Die zweite Forte-Wiederholung des
lyrischen Themas in der zweiten Hälfte führt den Satz zu einem mächtigen
Ende. Sibelius hat auf alle Fälle einen originellen und virtuosen
Karelien-Stil in seiner Sonate geschaffen und es fällt nicht
leicht, für sie Vorbilder zu finden; möglicherweise geistern
Grieg und Tschaikowski im Hintergrund.
Zehn
Klavierstücke op. 24 (1895-1903)
Das
im Laufe eines langen Zeitabschnitts entstandene, etwas heterogene
Opus beinhaltet die vielleicht populärsten und am meisten
gespielten Klavierstücke von Sibelius. In diesem Opus entwickelt
Sibelius das karelische Idiom eigentlich nicht weiter, sondern
verbindet es mit einem eindrucksvollen und mehr traditionell
romantischen Klavierstil. Das Ergebnis ist dennoch spannend und
einzigartig.
Nr.
1, Impromptu, g-Moll (Vivace;
1895). Das ungezähmte und dramatische Impromptu setzt sich
einigermaßen in derselben Szenerie fort wie Opus 5 und fügt an
Schubert’s Erlkönig assoziierende Progressivität an und die
Schicksalhaftigkeit der Orchesterballade Die
Waldnymphe (Skogsrået) (1895). Das Werk kündigt stellenweise
auf eine interessante Art Valse
triste (1904) an.
Nr.
2, Romanze (Romans),
A-Dur (Andantino; 1895). Dies
ist eine dramatische (Liebes)szene, in der am Anfang ein Duett
zwischen einem Diskant und einer Zwischenstimmlage zu hören ist.
Der Ausdruck des Satzes ist orchestral, sogar wagnerisch, obwohl
dessen Höhepunkt auch an den Orchesterstil von Brahms erinnert.
Dies ist der weiteste Teil dieses Werkes. Seinerzeit war es
Repertoirestück von Siloti.
Nr.
3, Kaprice (Caprice),
e-Moll (Vivace; 1898). Ein
Virtuosen- und Lieblingsstück der Violintechnik, das sogar an
Paganini erinnert und das auf Repetitionen, Oktaven, Arpeggien und
schnellen Skalenfiguren beruht. Als Ausgleichgewicht ist in der
Mitte eine einfache, volkstümliche Melodie zu hören, die wegen
ihrer synkopierenden Begleitung mit dem Lied Rudere,
rudere, blaue Ente (Souda, souda, sinisorsa) in Verbindung
gebracht werden kann.
Nr.
4, Romanze (Romance) d-Moll (1895).
Nr.
5, Walzer (Valse), E-Dur (Vivace; 1898?). Ein von Klavierstudenten favorisierter
Walzer, der an Chopin erinnert und dessen Spezialität im
Hauptabschnitt eine gegen den Walzerrhythmus streitende Begleitung
ist, die in 2/4-Taktart mit der linken Hand gespielt wird.
Nr.
6, Idyll (Idylli), F-Dur
(Andantino; 1898?). Der erste und letzte Abschnitt sind in weich
schaukelndem 6/8-Takt, der an Chopin’s Ballade in F-Dur erinnert.
In der Mitte des Stückes bricht ein heftiger Sturm aus, in dem
die rechte Hand ein virtuoses Solo nachahmt. In der späteren
Fassung (1904) steht der mittlere Satz teilweise um eine Oktave
niedriger.
Nr.
7, Andantino, F-Dur
(1899). Dies ist eine ansteckend melodische Miniatur, die sehr gut
auch als Streichorchesterarrangement vorliegen könnte. Von diesem
Werk gibt es auch eine zweite, ziemlich ähnliche Fassung (1899).
Nr.
8, Nocturno, e-Moll
(Andante; 1900). Dieses Werk enthält eine pathetische,
celloartige Melodie, die zu einem prachtvollen Höhepunkt ansteigt.
Das Werk wäre auch sehr gut für Streichorchester geeignet.
Nr.
9, Romanze (Romance),
Des-Dur (Andantino; 1901). Die finnischen Pianisten lieben dieses
Werk, das melodisch ein blühender Volltreffer ist, der
gleichzeitig an seinem Höhepunkt ein seltenes Beispiel von einem
echten Virtuosenstück à la Liszt in der Klavierproduktion des
Komponisten darstellt.
Nr.
10, Barcarola (1903).
Kyllikki.
Drei lyrische Stücke op. 41 (1904)
Dieses
Werk ist vielleicht die hochwertigste mehrteilige und umfangreiche
Klavierkomposition von Sibelius. Ein sicherer Zusammenhang mit dem
Kalevala besteht nicht, aber die Komposition lässt sich sehr leicht
mit Bezug auf das Kalevala
analysieren und interpretieren. Das Werk kann als ein Triptychon
angesehen werden, als drei aufeinanderfolgende Gemütszustände
der Hauptperson. Sogar die bittersten Kritiker von Sibelius haben
zugegeben, dass das Werk vorzüglich ist. Vor allem Glenn Gould,
der das Werk auf Schallplatte aufgenommen hat, schätzte es
trotz seiner quasivirtuosen und traditionellen Einschränkungen
und hielt es für eine bedeutende Bereicherung des
Klavierrepertoires. Kyllikki kann als die Haupt- und
Abschlussarbeit der Kalevala-Periode
von Sibelius angesehen werden.
1.
Satz: Largamente-Allegro. Die Allegro-Episode, die nach der
schweren Einleitung folgt, zeigt einen männlich kriegerischen
Klavierstil, dessen Verbindung zu dem von Lemminkäinen ausgeführten
Raub von Kyllikki offensichtlich ist. Das Hauptthema erinnert an
die Einleitung von Beethoven’s Waldstein-Sonate und seine lyrische Variante nimmt den Platz des
normalerweise zweiten Themas ein. Das Wahrnehmen der
traditionellen Form gestaltet sich jedoch schwierig, denn das
Hauptaugenmerk liegt auf den mächtigen, klangvollen, sich in
Gegenbewegung befindenden Oktavenläufen, die die Repetition sehr
brutal einführen. Das Pesante am Ende ist eine gnadenlosere
Version als das eröffnende Largamente, während das b-dorische
Des-Dur zum Cis-Dur gewechselt hat.
2.
Satz: (Andantino). Das Werk bietet in seinem Rahmen eine
melancholische Seelenlandschaft mit einem stabilen Hauptthema, das
sowohl den Tonika- (b) als auch den dominanten Orgelpunkt (f)
beinhaltet. Das Thema ist in Dezimen verdoppelt. In der Mitte des
Werkes hellt die Musik sich für einen Augenblick zu einer Art
Nocturne auf, das ein wehmütiges „adieux“-Motiv (wie in
Beethoven’s Sonate Les
adieux) enthält, steigt dann zu einem überraschend
eindrucksvollen Höhepunkt auf, bis sie wieder in die
nachdenkliche Gemütslage (von Kyllikki) verfällt.
3.
Satz: (Comodo). Das Finale wurde manchmal als Abschluss zu leicht
und kurz gefunden – im Vergleich zu den „tieferen“
vorangehenden Sätzen. Die Funktion eines klassischen mehrteiligen
Schlusssatzes ist es, eine bewegliche, oft tanzrhythmische
Entspannung und Zurückgezogenheit zu erzeugen. Der „polska“-artige
Rhythmys des Finales passt gut zu der Gesamtheit des Werkes und
ist programmatisch mit dem unerlaubten Tanzvergnügen Kyllikki’s
verbunden. Außerdem verbindet die kontrastierende
Tranquillo-Episode den Satz mit der ernsteren Natur des
vorangehenden Satzes. Im Finale kann man auch eine pastorale
Helligkeit sehen, die die leichtsinnige Fröhlichkeit ins
Gleichgewicht bringt, in dem Fall, dass man es für zu leicht hält.
Zehn
Klavierstücke op. 58 (1909)
Wenn
Kyllikki
Sibelius’ Kalevala-Romantik
(1. und 2. Satz) und die klassischere Orientierung (die tänzerische,
spielende Natur des 3. Satzes, „jeu“) verbindet, stammen die Zehn Klavierstücke (1909) dagegen aus der Mitte der modernen,
introvertierten und experimentellen Periode von Sibelius. Die
konventionellen Elemente treten immer noch ab und zu hervor, denn
Sibelius gab die Romantik nie ganz auf. Nach der Symphonie
Nr. 3 trat der klassische Zug immer dominanter hervor. Die
wesentlichen Faktoren in op. 58 sind die neue polyphon-linearische
Schreibweise, die sparsamen und graphischen Texturen, der dichte
und konzentrierte Ausdruck sowie die experimentelle Harmonie mit
ihren spannenden Dissonanzen. Die Musik ist mutig und
vorurteilsfrei und kann nur mit äußerster Bosheit als Salon-
oder Hausmusik abgestempelt werden. Die Musik fordert sowohl den
Verstand des Musikers als auch die Technik seiner Finger heraus.
Sibelius war sich dieses Fortschritts bewusst, denn er schrieb in
sein Tagebuch (28.9.1909) das Gefühl zu haben, dass „die
Technik hier besser wäre, als in anderen solchen Stücken“.
Ilmari
Hannikainen verstand früher als viele andere die Einzigartigkeit
des Werkes. Er schrieb 1935: „10
Klavierstücke op.
58 ist meine neueste große Entdeckung und Entzückung. Die ganze
Suite ist wie ein Perlenkollier, in dem jede Perle wie ein helles
Licht leuchtet. Und der Stil dieser Stücke! Sibelius ist immer
Sibelius vom Anfang bis zum Ende, aber mit op. 58 beginnt er
irgendwie einen vollkommen neuen Klavierstil, der – von Ähnlichkeit
kann hier nicht gesprochen werden – wie ein Geistesverwandter
des letzten Stils von Beethoven ist. Das erste Stück, Rêverie
(Unelma) ist eine der hellsten Perlen in diesem kostbaren Kollier.“
Auch Joonas Kokkonen war einer, der sich mit dem neuen Stil
bekannt gemacht hatte, als er fragte (1955): „wer, außer
Sibelius, schrieb zu der Zeit im zweistimmigen polyphonen
Klavierstil, behandelte das Instrument melodisch-linear, schuf
eine lyrische Stimmung mit äußerst vereinfachten und dennoch
effektiven Mitteln?“
Nr.
1, Rêverie
(Unelma)
(Lente).
Schon der französische Name (Traum) und die Anführungsanweisung
erzählen von dem impressionisch-expressionistischen Ausgangspunkt
(Debussy, Skrjabin). Das erste Stück ist aufregend modern. Die
hauptsächlich zweistimmige Textur basiert auf der bedeutenden
Eigenständigkeit der Hände: als Gegenstück für die celloartige,
aufsteigende Melodie der linken Hand sind die sich auflösenden
Sextolenrhythmen und die tonalen Hinweise; die Stimmung ist
geheimnisvoll und rätselhaft. Obwohl der mittlere Teil und die
komplexe Reprise auch konventionellere Elemente beinhalten,
befriedigt die Ganzheit sowohl die musikalische als auch die
intellektuelle Neugier des Zuhörers sowie sein Bedürfnis nach
Neuem.
Nr.
2. Scherzino
(Con moto). Dieses Stück beeindruckt auf spannende Weise mit
seiner Bimodalität und seiner Lebhaftigkeit. In dem Stück gibt
es, so der Komponist, „etwas von dem Charakter des Benvenuto
Cellini“ – Beweglichkeit und Launenhaftigkeit des Renaissancekünstlers.
Nr.
3. Air
varié (Andante).
Dieses Stück ist eine große Errungenschaft mit seinen tonalen
Abenteuern und seinen nordischen Begrüßungen an Bach: die
zweistimmige Inventionartigkeit mit ihren rhythmischen Überraschungen
und mit den Überraschungen auf der Tonebene macht aus dem Stück
beinahe ein neoklassisches Freudenfest.
Nr.
4. Der
Hirt (Paimen)
(Vivacetto).
Der
Hirt (Paimen)
ist ein flottes neoklassisches Stück, das Unschuld im Geist des
französischen Barocks im 18. Jahrhundert beinhaltet.
Als Spezialität gibt es in der Mitte des Stückes ein
begleitendes, sich in 2/4-Taktart wiederholendes Ostinato, das im
Kontrast zu der ¾-Taktart steht. Es erinnert an den Teil Passepied
von Debussys
Suite
bergamasque.
Nr.
5. Des
Abends (Ilta)
(Andantino).
Der Name Des Abends
(Ilta) weist auf Schumann hin, und der Komponist stellte auch fest,
dass dieses „mein bestes Stück ist, auf die Stimmung bezogen.“
Die scheinbare Einfachheit verbirgt unerwartete Wechsel der Tonart
in sich.
Nr.
6. Dialogue
(Dialogi) (Allegro grazioso). Ein Dialog zwischen dem Bass und dem
Diskant, der durch überraschende Tonartgebiete streift.
Nr.
7. Tempo
di Minuetto.
Nach dem Komponisten ist das Stück „es-Moll und Melancholie im
Stil der vergangenen Zeiten“. Sibelius setzt hier die brütende
Menuettkunst und die spieldosenartige Textur einander gegenüber.
Das geniale Stück hat einen entfremdeten Charakter und es mag
nostalgische Gedanken des Komponisten an irgendeinen seltsamen
Augenblick reflektieren.
Nr.
8. Fischerlied
(Kalastajalaulu)
(Allegretto).
Im Fischerlied
hält
die gut eingeleitete, lange Begleitfigur mit der linken Hand die
italienische Melodik hoch, in der auch harfenartige
Arpeggiofiguren zu hören sind.
Nr.
9. Ständchen
(Serenadi) (Moderato). Ähnliche Entfremdung wie im Tempo di Minuetto (Nr. 7) kann man auch in dieser Serenade finden,
denn in der Mitte „stören“ die violinistischen Triller mit der rechten Hand die ruhige Stimmung, die für diese Art von
Musik typisch ist.
Nr.
10. Sommerlied
(Kesälaulu)
(Largo).
Das
Sommerlied
mit
seiner Tonart Es-Dur ist voll von festlicher, sogar religiöser
Stimmung.
Die choralähnliche Melodie wird mit üppigen Akkorden begleitet.
Drei
Sonatinen für Klavier, op. 67. Zwei Rondinos für Klavier, op. 68
(1912)
Sibelius
neuer, moderner Klassizismus vertieft sich durch die Sonatinen und
Rondinos deutlich. Die Tendenz der Zeit war das allgemeine Streben
zum Neoklassizismus, was auch in der Klaviersonatine
von Ravel (1903–1905) sowie in den Sonatinen von Reger (1905-08)
und Busoni (1910-21) zu erkennen ist. Die Stücke von Sibelius,
deren Ziel die Neubelebung des Klassizismus war, waren
retrospektiver als die anderen zeitgenössischen Stücke und sein
eigentümlicher Klassizismus lag meistens weit weg von den
Kubismen des Neoklassizismus (Bach mit „falschen“ Bässen,
kapriziöse, gebrochene Rhythmen). Die Sonatinen und Rondinos sind
die ersten Stücke „des reinen Wassers“ von Sibelius an Stelle
der „Cocktails“, die die Zeitgenossen anboten; sie sind
konzentriert und bündig, aber gleichzeitig inhaltlich gewichtig
– kurz gesagt klassisch.
Sonatine
Nr. 1, fis-Moll.
1.
Satz [Allegro] Ein konzentrierteres und edleres Thema kann man
lange suchen. Es ist von kurzer Dauer, aber führt zu einem
spannend chromatischen Thema, das zur Dominante der Haupttonart
kadenziert, zum cis-Moll. In der nächsten Phase bezieht das
chromatische Thema in sich auch das Triolenmotiv des Hauptthemas
ein. Es gibt keine eigentliche Grenze zwischen der Vorstellungs-
und Entwicklungsphase, aber der Zuhörer bemerkt die Reprisephase
daran, dass das Hauptthema auf die ursprüngliche Höhe zurückkehrt.
2. Satz, Largo. Der langsame Satz baut auf das zweimalige
Erscheinen des singenden violenartigen Themas auf; beim zweiten
Mal erklingt es eine Oktave höher und ist wie ein andächtiger
Choral harmonisiert. Der Satz wird mit einem Akkord in Fis-Dur
beendet, eine picardische Modifikation der Haupttonart.
3. Satz, Allegro moderato. Im letzten Satz ist unter dem
orchestral-violinistischen Oktaventremolo mit der rechten Hand ein
kurzes, verspieltes Motiv zu hören. Die Seitenphasen werden von
einem Dur-betonten, freudigen Motiv geprägt, zuerst in G-Dur und
zum Schluss in Fis-Dur, das auch die optimistische Schlusstonart
der Sonatine bleibt.
Sonatine
Nr. 2, E-Dur.
1.
Satz, Allegro. Sibelius’ Zuneigung zu Bach ist in diesem fröhlichen
Werk deutlich zu erkennen. Eine Imitation und ein Wechsel der
Stimmen beginnen den Satz und sie sind auch in der Fortsetzung zu
hören. Wichtiger als das Seitenthema und die Grenzstelle der Einführung
(die dennoch zu finden sind, wenn man danach sucht) ist die
elliptische Form, Trübung der Grenzstellen und vor allem das
unaufhörliche polyphonische Spiel.
2. Satz, Andantino. Eine doppelte Melodie ist wieder zu hören,
jetzt im Celloregister, wenn gleichzeitig die Begleitfiguren der
hohen Stimmen auf dem klaren Himmel blinken. Vor der Reprise sind
ausdrucksvolle Intervalle mit kleinen Nonen zu hören.
3. Satz, Allegro. Die tänzerische Diatonik des Themas in E-Dur
bietet im Finale reine Freude. Dieses Mal ist das Finale
zweiteilig, eine frühklassische Sonatenform.
Sonatine
Nr. 3, b-Moll. Die
Sonatine in B-Moll ist eines der wichtigsten Experimente von
Sibelius, um die mehrteilige Form zu konzentrieren, um die Teile
zu verbinden und um das gleiche Material zum thematischen Stoff für
verschiedene Teile zu bearbeiten. Die Sonatine ist ein Vorgänger
der meisterhaften Fusionsformen des ersten Satzes der Symphonie
Nr. 5 und der Symphonie
Nr. 7. Die Sonatine hat drei hypothetische Sätze, von denen
die zwei letzten zusammengewachsen sind, und schon der Eröffnungssatz
bereitet auch die Elemente des Schlusssatzes vor. Der erste Satz
und die zweite Hälfte des zweiten Satzes folgen der frühklassischen
Sonatenform, in der die Form sich in ungefähr zwei gleich lange Hälften
teilt. Die Sonatine ist ein vollkommener Beweis für Sibelius’
meisterhafte Beherrschung der Form.
1.
Satz, Andante-Allegro moderato. Die kurze Einleitung in sechs
Takten stellt schon das Hauptthema der Sonatine vor, den
Melodienlauf des-f-c-f-b. Die Phase Allegro moderato fügt das
Aufwärts-Arpeggio und die Triolenornamente hinzu.
2.
Satz, Andante-Allegretto. Die erste Hälfte, Andante, formt das
singende Thema des Eröffnungssatzes zum Trauermarsch um, stellt
die 1/16-Figur der Schlussphase vor und beinhaltet eine rätselhafte
zweistimmige, sich in die Stimmenregister weiterrückende
Gegenbewegung, die wie eine homage à Beethoven ist und sich in
der Allegretto-Phase wiederholt. Allegretto basiert auf der
Siciliano-Charaktermodifikation des Hauptthemas.
Rondino
Nr. 1, gis-Moll (Andantino). Das erste Rondino, das fragende
Pausen und spürbare Seufzmotive beinhaltet, ähnelt dem
unbekannten, vor kurzem gefundenen „Valse
oubliée“
von Liszt.
Rondino
Nr. 2, cis-Moll (Vivace). Die
Dezimentremolos der rechten Hand machen einen violinistischen
Eindruck. Sonst steht das zweite Rondino dem gerade modischen
Neoklassizismus nahe, denn es beruht auf dem fidelen
Polka-Rhythmus und beinhaltet einige spritzige Dissonanzen. Die
Musik von Poulenc und Prokofjew kommt diesem selten freudenreichen
Stück von Sibelius ziemlich nahe.
Bagatelles
für Klavier op. 34 (1913-16); Pensées lyriques für Klavier op.
40 (1912-16)
Sibelius’
zwei Sammlungen mit je zehn Stücken könnten leicht als leichte
und „wertlose“ Hausmusik, wie sie charakterisiert worden sind,
ignoriert werden. Guy Sacre, der das große französische
Klaviermusikwörterbuch (La musique de piano, 1998) verfasst hat, zählt jedoch diese
Sammlungen „zu den besten Werken von Sibelius; sie bilden
zusammen eine Art von Jugend-Album, das angenehm für die Finger
und das Gemüt eines jungen (oder auch älteren!) Pianisten zu
spielen ist, wenn sie prima vista üben“. Obwohl diese Opera
keine bedeutenden Werke von Sibelius beinhalten, sind sie dennoch
phantasiereiche und hervorragende Stücke, und zumindest ein
finnischer Klavierschüler möchte sie nicht missen. Viele von den
Stücken sind entzückende Huldigungen an die Klaviermusik von
Chopin, Schumann, Liszt und Tschaikowski.
Walzer,
(Valse) op. 34, Nr. 1 (Con moto; 1914). Dieser
Walzer ist wie ein Miniaturstück von Chopin, eine vortreffliche
vorbereitende Übung für die anspruchsvolleren Werke des Großmeisters.
Die explizite Fermate am Schluss ähnelt dem Minutenwalzer von Chopin.
Tanzweise
(Air
de danse, Tanssisävelmä)
op. 34, Nr. 2 (Allegretto, 1914). Ein hinreißender
Gavotti-Pastiche.
Neckerei
(Boutade)
op. 34, Nr. 5 (Con moto, 1914). Ein Einfall, der etwas an Chopin
erinnert und in dessen ppp-Walzerepisoden der Hauptton der Melodie
immer dissonierend im Hinblick auf die Begleitung ist.
Der
Harfenspieler
(Jouer
de harpe,
Harpunsoittaja) op. 34, Nr. 8 (Stretto-Lento e dolce, 1916). Der
Harfenspieler ist ein feines Werk mit Arpeggien, das dem Werk Der
Barde (Bardi, 1913-1914) nahe steht.
Reconnaisance
(Jälleennäkeminen) op. 34, Nr. 9 (Vivo, 1916). Dieses
attraktive Stück ist eine Verbeugung in Richtung von Schumann. Es
beruht auf wechselnder Repetition mit beiden Händen.
Menuetto,
op. 40, Nr. 4 (Grazioso, 1913). Dieses Stück ist ein echter
Rokoko-Tanz.
Berceuse,
op. 40, Nr. 5 (Andantino, 1913). Dieses „Wiegenlied“ ist eine
kleine melodische Perle, von dem auch eine Fassung für Orchester
existiert. Der Komponist litt sehr, als er ein „Kaffeehaus“-Arrangement
dieses Stückes hören musste.
Rondoletto,
op. 40, Nr. 7 (Allegretto, 1914). In dieser Wiener Polka im mäßigen
Tempo finden sich schmackhafte harmonische Abweichungen von der
Haupttonart.
Polonaise,
op. 40, Nr. 10
(Alla polacca, 1916). Jeder
Klavierstudent liebt diese aristokratische und angemessen pompöse
Festpolonäse.
Vier
lyrische Stücke op. 74 (1914)
Es
mag so aussehen, dass Sibelius inmitten seiner dunklesten
Schaffensperiode, die durch Abstinenz von Alkohol und Zigarren
geprägt war, „zu viele“ Miniatursuiten schrieb. So haben
viele Autoren sich damit zufrieden gegeben, die Klavieropera
74–99 (1911–1922) einfach als ein Bündel zu betrachten und
von ihnen, ohne sie zu analysieren, als einen Haufen von „wertlosen“,
„trivialen“ oder „nur wenig lohnenden“ Stücken zu
sprechen. So wurden jedoch gleichzeitig Qualitätswerke von
Sibelius übergangen. Zum Beispiel ist op. 74 eindeutig eine der
besten Klaviersuiten von Sibelius. Guy Sacre hat ganz richtig
festgestellt, dass sie „rührend und poetisch“ sei und als
Ganzheit eine Sammlung, die es wert ist, erhalten zu bleiben.
Nr.
1,
Ekloge
(Paimenlaulu) (Andantino). Der reine und unschuldige Klassizismus
des Stückes ist entwaffnend.
Nr.
2, Sanfter
Westwind (Lempeä
länsituuli) (Con
moto). Sanfter
Westwind ist
eines der bezauberndsten Klavierstücke von Sibelius, das
vielleicht Züge von Debussys
L'isle joyeuse und vom
Geist der Sonatine von Ravel aufweist und in Richtung von Die
Okeaniden (Aallottaret) (1914) weist.
Cinq
morceaux op. 75 (1914-19)
Die
„Baumsuite“ von Sibelius ist einer der feinsten Beweise von
Sibelius’ sensitiver, pantheistischer Art zu empfinden; zu ihm
„sprechen die Bäume“. Der Riesenerfolg des Opus spricht für
sich.
Nr.
1, Wenn der Sperberbaum blüht
(När
rönnen blommar,
Kun pihlaja kukkii) (Allegretto, 1914). Dieses Stück erinnert an
Klavierlieder von Tschaikowski. Es ist „chanson triste“ oder
„chanson sans paroles“.
Nr.
2, Die einsame Fichte
(Den
ensamma furan,
Yksinäinen honka) (Grave, 1914). Dieses Stück ist ein beinahe
sakral standhaftes Werk, das in seiner Entstehungszeit als ein
Symbol für Finnland interpretiert wurde, das unnachgiebig den
schneidenden Ostwinden standhielt.
Nr.
3, Die Pappel (Aspen,
Haapa) (Andantino, 1914). Die
Pappel atmet rätselhaften Impressionismus. Die Töne des
Baritonregisters mit der linken Hand und die knappen
Begleitakkorde der rechten Hand sind nordisch in ihrer Zurückhaltung.
Nr.
4, Die Birke (Björken,
Koivu) (Allegro, 1914). Die Birke ist der Lieblingsbaum der
Finnen, „so weiß steht sie da“. Die zwei ersten Strophen des
Stückes sind in B-mixolydischem Modus und schaffen den
minimalistisch-feldartigen Eindruck mit dem Ostinato der linken
Hand. Der Misterioso-Schluss des Werkes, die dritte Strophe,
bleibt merkwürdig offen: die Tonleiter weist auf As-mixolydische
Richtung hin, aber es kann
auch so interpretiert werden, dass sie in die Richtung des
Des-Zentrums strebt. Das Rätsel bleibt ungelöst, denn unter dem
abschließenden, offenen as-es-Akkord erscheint ein tiefer
des-Klang.
Nr.
5, Die Tanne (Granen,
Kuusi)
(Stretto-Lento; 1919). Die Tanne ist ohne Zweifel ein Hit von Sibelius, ein mit Valse
triste vergleichbarer, langsamer Walzer, in dem die schnellen
Arpeggien in der Risoluto-Episode einen schwindelerregenden
Eindruck erzeugen.
Treize
morceaux pour piano, op. 76 (1911-19)
Diese
Suite ist als Ganzheit ungleichmäßig, aber beinhaltet einige
Volltreffer. Viele sind kurze und einfache Stücke, aber unter
ihnen gibt es auch wichtige Werke. Nach Erik Tawaststjernas
Meinung „beinhaltet das Opus eine Menge von Sibelius’ feinsten
Miniaturen“.
Nr.
2, Etude
(Leggiero, 1911). Diese violinistische Etüde ist eine beliebte
technische Übung der Pianisten, die sogar neue
Geschwindigkeitsrekorde zu erreichen versuchen. Das Für
Elise von Sibelius.
Nr.
9, Arabesque
(Vivacissimo, 1914). Dieses Stück ist in seiner schnellen
Beweglichkeit und Leichtigkeit mit den Etüden von Liszt verwandt.
Nr.
11, Linnaea
(Andantino con moto, 1918). „Das Moosglöckchen“ war Linnés
Lieblingsblume, für Sibelius ein Symbol der Poesie.
Nr.
12, Capriccietto
(Vivace,
1914). Dieses ist ein tonal wanderndes, spannendes Stück, das
sein g-Moll fast bis zu den letzten Takten erfolgreich meidet.
Nr.
13, Harlequinade
(Commodo,
1916). Ein kapriziöses, wechselhaftes Werk, das man mit den kürzesten
Präludien von Debussy vergleichen kann (z. B. Minstrels).
Cinq
morceaux op. 85 (1916-17)
Sibelius
hatte ja schon seine „Baumsuite“ geschrieben und danach war
die entsprechende, positiv auffallende „Blumensuite“ an der
Reihe.
Nr.
1.
Bellis (Kaunokki)
(Presto,
1917). „Gänseblümchen“ ist ein spieldosenartiges und
virtuoses Blumenstück auf der weißen Tastatur und vom Stil her
Salonmusik.
Nr.
2.
Oeillet (Neilikka)
(Con moto, 1916). „Die
Nelke“ ist eine Erinnerung an einen Ball. „Es ist die hinreißendste
und glanzvollste von Sibelius’ Miniaturen im Walzerrhythmus“
(Erik Tawaststjerna). Die Variation in as-Moll in der mittleren
Periode macht die Stimmung etwas dunkler.
Nr.
3. Iris
(Iiris)
(Allegretto
e deciso, 1916). „Die Schwertlilie“ ist eine bereichernde,
anspruchsvolle Aufgabe für einen Pianisten. Das Werk ist
ernsthaft und poetisch in seiner Zerbrechlichkeit und
Entschiedenheit.
Nr.
4. Aquileja
(Akileija)
(Allegretto,
1917). Das Stück repräsentiert den zweckhaften Biedermeier-Stil
wie bei Edward MacDowell.
Nr.
5.
Campanula
(Kellokukka) (Andantino, 1917). Die Glockenblume klingt in ihren
Appoggiaturen und bietet ein klares, glänzendes Finale.
Sechs
Klavierstücke op. 94 (1914-19). Sechs Bagatellen op. 97 (1920).
Huit petits morceaux (Kahdeksan
pientä pianokappaletta) op. 99 (1922)
Mit
diesen drei „Butterbrot“-Suiten kommt Sibelius der französischen
praktischen Kompositionsästhetik und damit Satie und Poulenc nahe.
Sibelius befasste sich auch mit Tanzpastichen im selben Geist wie
so viele seiner Vorgänger und seiner Zeitgenossen: Grieg,
Paderewski, Rahmaninov, Prokofjew und so weiter. Die Texturen sind
knapp, aber stilvoll und durchsichtig.
Novellette
(Novelletti) op. 94, Nr. 2 (Allegro, 1914). Das Stück erinnert an
Beethovens Bagatellen, Schumanns Novelletten und an die Karelia-Suite
von Sibelius.
Mélodie
(Sävelmä)
op. 94, Nr. 5 (Largamente-Andantino, 1919). Die Melodie ist
stellenweise reichlich mit Dezimen der linken Hand begleitet und
das Klaviergewebe klingt wie bei Schumann oder Brahms.
Gavotte
op. 96, Nr. 6 (Allegro moderato, 1919). Dieses
Stück ist eine echte Gavotti-Stilisierung (Hofballett des französischen
Barocks).
Lied
(Laulu)
op.
97, Nr. 2 (Andantino, 1920). Dieses ist ein zartes Lied, das an
Grieg erinnert und das zum Beispiel auch zum Repertoire von Emil
Gilels gehörte.
Humoristischer
Marsch
(Humoristinen marssi)
op. 97, Nr. 4 (1920). Der Stil des Stückes erstreckt sich von
Beethoven über Schumann auf Prokofjew.
Animoso
op. 99, Nr. 6 (1922). Ein Reiterstück à la Schuhmann.
Petite
marche
(Pieni marssi) op.
99, Nr. 8. Dieses
Stück hat etwas Orientalisches an sich und es zeigt auch Züge
der Symphonie Nr. 7.
Five
Romantic Compositions (Viisi romanttista kappaletta) op. 101
(1923-24)
Nach
den leicht impressionistischen Baum- und Blumensuiten (op. 75 und
85) und den ballettartigen (auf französische Art) und
neoklassischen Charakter- und Tanzsammlungen (op. 76, 94, 97, 99)
intensivieren Sibelius’ drei letzte Klavierstücke (op. 101,
105, 114) seine Naturerlebnisse. Anstatt des dünnen und
raffinierten Klaviergewebes sind die letzten Klavierwerke durch
eine orchestrale Sonorität und eine Nähe zur Symphonie
Nr. 6 und 7 geprägt. „Die lineare Art hat Platz für die
massivere, üppigere Behandlung des Klaviers machen müssen“
(Erik Tawaststjerna). Die fünf romantischen Stücke „könnten
als eine Suite gespielt werden“, sagte der Komponist – d. h.
dass Sibelius in seinen letzten Opera zu konzentrierterer
Verbindung der Kompositionen strebt als in seinen früheren
heterogenen Sammlungen.
Nr.
1.
Romance (Romanssi)
(Poco
con moto). Diese Romanze ist ein harmonisch mutigeres Werk als die
früheren Romanzen, vgl. op. 24.
Nr.
2. Chant
du soir
(Iltalaulu) (Andantino). Dieses Abendlied ist ein schlichtes
Tonbild, das der Symphonie
Nr. 6 nahe kommt.
Nro
3. Scène
lyrique
(Lyyrinen kohtaus) (Andante-Vivace). Diese
lyrische Szene erreicht den violinistisch-virtuosen Umfang der Symphonie
Nr.
6 in
ihrer polkaartig beweglichen
Vivace-Periode.
Nr.
4. Humoresque
(Humoreski) (Commodo). Dieses Stück könnte eine Mazurka für
Violine sein.
Nr.
5. Scène
romantique (Romanttinen
kohtaus) (Moderato
assai). Die
romantische Szene ist „vielleicht das vollkommenste Stück
dieses Opus“ (Tawaststjerna), „eine der schönsten Perlen der
Klavierproduktion“ von Sibelius (Heinonen). In diesem Stück ist
der Zauber der Novelletten von Schumann zu hören, gewürzt mit
Harmonien à la Fauré.
Fünf
charakteristische Impressionen (Viisi karakteristista impressiota)
op. 103 (1923-24)
Diese
Suite bietet die massivste und orchestralste Klaviermusik von
Sibelius. Sie erinnert an die Symphonie
Nr. 7.
Nr.
1. Die
Dorfkirche (Kyläkirkko)
(Largo).
Die Dorfkirche repräsentiert
den späten „olympischen“ Stil von Sibelius. Das Werk basiert
auf dem damals unbekannten Andante
festivo
(1922), das Sibelius für ein Streichquartett komponiert hatte.
Gleichzeitig ist etwas von der Größe der Symphonie
Nr. 7 zu spüren. Alle drei Werke sind in C-Dur. Die
Kompositionstechnik zeigt auch Ähnlichkeit mit den Präludien von
Debussy, vor allem in der Arpeggio-Periode.
Nr.
2. Der
Spielmann
(Soittoniekka) (Con moto). Dieses ist ein unbefangenes und
frohsinniges Stück, das vielleicht mit dem Musizieren mit
Volksmusikern zu tun hat, was Sibelius auch noch nach dem Umzug
nach Järvenpää praktizierte.
Nr.
3. Der
Ruderer (Soutaja)
(Allegretto).
Die Diatonik in C-Dur in diesem Stück weist auch auf die Symphonie
Nr. 7.
Nr.
4. Der
Sturm (Myrsky)
(Allegretto
molto). Dieses Stück hat vielleicht eine Verbindung mit der Bühnenmusik
Der Sturm von
Shakespeare, die allerdings zu der Zeit noch nicht komponiert
worden war.
Nr.
5.
In
betrübter Stimmung (Murheisena) (Moderato). Ein
miniaturförmiger Trauermarsch, der an Mahler erinnert.
Fünf
Skizzen für Klavier (Viisi luonnosta) op. 114 (1929)
Das
letzte Opus von Sibelius für Klavier ist ein meisterhafter
Abschied von dem treuen Instrument, in dem Sibelius dennoch neue
Dimensionen zu finden lernte und das er letzten Endes auf ähnliche
Weise wie seine Orchesterwerke zu klingen brachte. Diese fünf
tiefen, pantheistischen Naturimpressionen zeigen auch den späten
Stil von Sibelius am reinsten. Deren auf Tonhöhe bezogene,
tonal-modalische Organisation ist stellenweise revolutionär und
bietet eine bedeutende Alternative für den chromatischen
Kompositionsstil vom Anfang des 20. Jahrhunderts, der zur Atonalität
führte.
Nach
Meinung des Musikwissenschaftlers und Pianisten Joseph Kon aus
Petrosawodsk enthalten die Skizzen „tonale und harmonische
Innovationen“ und „legen im Denken des Komponisten solche
Bestrebungen offen, die überraschenderweise Sibelius als einen
Komponisten zeigen, der Skrjabin und Bartók ähnelt“. Damit
meint Kon die neuartige Interpretation der Intervalle und die
sibelianischen außergewöhnlichen Ausbrüche. Außerdem prägen
zwei überlappende Pentachorde, die Sibelius in seiner
Probevorlesung (1896) vorstellte und die daraus entstehende höhere
Terzstruktur die Werke. Leider wurde die Suite erst 1973 veröffentlicht
und ist deshalb nicht besonders bekannt. Die Verständlichkeit der
Musik leidet unter vielen Druckfehlern, die durch übereilte und
oberflächliche Redaktion entstanden waren.
Nr.
1. Landschaft (Maisema)
(Andantino). Die Zartheit des Stückes ist durch einfache
Melodienmotive, durch ihre Terztransponierungen sowie durch
harfenartige Arpeggien entstanden. Der von Sibelius geliebte
Nonenakkord erscheint ab und zu und sein Auftreten mit B-Dominante,
verschönert mit minimalistischer Arpeggiofiguration, führt das
Stück zum Es-ionisch-durischen Finale.
Nr.
2. Winterszene
(Talvikuva)
(Allegretto).
Der Wechsel des A-Dur/ionischen und a-äolisch-ionischen Modus und
der mit ihnen verbundenen zwei unterschiedlichen Musiken macht aus
dem Satz eine Kombination, die gleichzeitig herzerweichend und
spritzig, lustig und traurig sein kann.
Nr.
3. Waldsee
(Metsälampi) (Con moto). Dieses ist ein Stück, das auf modaler
Tonleiterimprovisation (Modus in D-Dur mit dem unteren h-Terz) und
auf dem aus hohem Terzstapel entstehenden, zentralen Akkord (h-d-f-a-c-e-g)
und auf dessen Variationen basiert. Hier ist Sibelius’
Organisation der Tonhöhe Weltklasse seiner Zeit. Hier ist
Sibelius’ musikalisches Denken am erfindungsreichsten zu hören.
Die Komposition könnte aufgrund der gewählten
Kompositionstechnik ewig fortdauern.
Nr.
4. Lied im Walde (Metsälaulu).
Das
Stück ist wie ein endloses, von der Ewigkeit des Waldes erzählendes
Lied, das auf der sibelianischen Feldtechnik beruht, auf der
Verbreitung des zentralen Akkords. Dieses Mal beinhaltet der
zentrale Akkord h-dis-f-a-c/cisis zwei Tritonus (h-f, dis-a) sowie
zwei alternative Nonen (c/cisis). Das Ergebnis ist eine moderne
faszinierende Klangvision.
Nr.
5. Frühlingsvision (Kevätnäky).
Eine schnell vorbeirasende Vision, in der das E-Dur mit
mixolydischen und ionisch-äolischen Zügen und mit dem
ais-Tritonus modifiziert wird. Sibelius’ modale Technik ist
flexibel und voll von Überraschungen.
Fassungen
für Klavier aus Werken für Orchester
Sibelius’
anspruchsvolles Klavierspiel und seine Vertrautheit mit dem
Instrument werden in seinen vielen Arrangements für Klavier aus
eigenen Orchesterwerken sowie aus den finnischen Volksliedern
sichtbar. Nach Erik T. Tawaststjerna „sind einige Arrangements
von Sibelius äußerst eindrucksvolle Konzertstücke“ (1990).
Besonders zweckmäßig, gelungen und viel gespielt sind die
Klavierfassungen für Finlandia op. 26 (1900) und Valse
triste
op. 44, Nr. 1 (1904).
Jeder Einwohner von Helsinki kennt auf alle Fälle die
Glockenmelodie der Kallio-Kirche, die mit dem Namen Die
Glockenmelodie in der Kirche zu Berghäll (Kellosävel
Kallion kirkossa) op.
65b (1912) veröffentlicht
wurde. Das Klavierarrangement daraus ist zwar leicht, aber
eindrucksvoll. Die Arrangements der drei sonnigen Stücke (op. 96,
1919-1921) Valse
lyrique, Autrefois, Valse chevaleresque
sind ausgezeichnete Zugabenummern in Konzerten.
Sechs
finnische Volksweisen (Suomalaisia kansanlauluja pianolle
sovitettuina) (1902–1903)
Sibelius
benutzte in seiner „ernsteren“ Musik kaum finnische
Volkslieder so, dass sie als solche erkennbar wären, obwohl das
Hauptthema des Eingangssatzes von Kullervo
mit der westfinnischen Melodik verglichen worden ist und Sibelius
ab dem zweiten Satz von Kullervo karelische Melodien als Teil seiner Tonsprache durch seine
ganze Produktion verwendete. So sind die sechs Arrangements der
finnischen Volkslieder eine desto wichtigere Klaviersammlung,
besonders weil Sibelius
1896 in
seiner akademischen Probevorlesung „Einige Gesichtspunkte zur
Volksmusik und zu deren Einfluss auf die Tonkunst“ öffentlich
zugestanden hatte, dass die Melodik und Modalität des Volkslieds
und Runengesangs Einfluss auf seine eigenen
Harmonisierungsprinzipien hatte.
In
seinen Arrangements für Volkslieder stellt Sibelius seine
Kompositionstechnik anschaulich vor und stimmt Melodien abweichend
vom romantischen Stil. Er meidet die Dominante und traditionelle
Akkordfunktionen, betont die Subdominante anstatt der Tonika und
schafft eine eigenartige Vieldeutigkeit dadurch, dass er den
Grundton des Werkes erst am Schluss des Stückes offenlegt.
Nr.
1. Mein
Liebchen (Minun
kultani) (Allegretto).
Eine
einfache Melodie, stellenweise ohne Begleitung, die in Oktaven
verdoppelt werden kann und deren Akkordbegleitung in paralleler
Bewegung fortschreitet. E-Ton im Bass und Verwendung der h-äolisch-ionischen
Tonleiter (6. und 7. Ton sind in aufwärts- und in abwärts-Bewegung
dieselben: gis und ais) schaffen reizende Farbe für das
h-zentrierte Stück.
Nr.
2. Von
Herzen liebe ich dich (Sydämestäni
rakastan) (Andante).
Dieses ist das vereinfachteste Arrangement der Sammlung, in dem
der h-Orgelpunkt und der dorische cis-Ton eine schöne stille
Stimmung zustande bringen, bevor der e-Schlusston erreicht wird.
Nr.
3. Der Abend kommt (Ilta tulee, ehtoo joutuu) (Andantino). Das
Stück ist mit dem Versetzungszeichen cis-Moll/E-Dur ausgestattet
und betont wechselweise die A- und E-Zentren. 1/16-Ostinato
cis-dis klingt wie Kantele, obwohl das Finale die überraschende
fis-Zentrierung der Komposition enthüllt. Es ist eines der
gelungensten einzelnen Klavierstücke von Sibelius, was Textur und
modale Vieldeutigkeit angeht.
Nr.
4. Also spielt die Maid, die
Schöne, auf der Laute (Tuopa tyttö, kaunis tyttö kanteletta
soittaa) (Moderato). Dieses Lied ist der virtuoseste Teil der
Suite, in dem die sich wiederholenden Arpeggien eine
Kantele-artige Dimension präsentieren und die Arpeggien in C- und
F-Dur (mit zusätzlichen Noten) mit beiden Händen weisen auf die
pianistische Zymbal-Technik hin, die Liszt als erster benutzte.
Die Harmonisierung und die modifizierten Noten des Stückes weisen
auf unterschiedliche Richtungen hin, obwohl der starke C-Akkord
den Schluss für das F-Dur antizipiert.
Nr.
5.
Brudermörder (Velisurmaaja)
(Andante
con moto). Es ist das modernste Stück in der Sammlung, das wegen
seiner spannenden Tritonus-Chromatik (his contra fis im Bass) mit
der Musik von Bartók verglichen worden ist. Die auf cis
basierende Melodie, die mit den parallelen Akkorden der cis-äolisch-ionischen
Tonleiter entsprechend gestimmt ist, bekommt zum Schluss den
fis-Ton als sein Zentrum.
Nr.
6. Hochzeitserinnerung
(Häämuistelma) (Moderato). Hier haben wir eine herzerweichende
Melodie in A-Dur, die as-ionisch gestimmt ist und die wieder mit
dem eine Quinte tieferen des-Vierklang flirtet.
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