Die letzten Studienjahre 1887–1889 am Musikinstitut in Helsinki als Student von Martin Wegelius scheinen Sibelius angeregt zu haben, Lieder zu komponieren. Nach Robert Keane fing Sibelius Ende 1887 an, für die zukünftige Veröffentlichung Det sjungande Finland Lieder zu skizzieren. Dazu angeregt wurde er offensichtlich von seinem Lehrer. So wurde das erste Lied Serenade (Serenadi) zum Gedicht von Johan Ludvig Runeberg vollendet und es wurde in dem oben genannten Werk schon im Januar 1888 veröffentlicht. Die Stellung der Serenade in Sibelius‘ Produktion ist in mehrfacher Hinsichten wichtig: es ist das erste bekannte Lied und das erste veröffentlichte Werk von Sibelius, und dazu kommt noch, dass es auf dem Text des Nationaldichters J. L. Runeberg basiert. Runeberg ist für die Liederproduktion Sibelius’ der wichtigste Dichter.
Während der Jahre 1888–89 wurden noch drei weitere Lieder vollendet. Im Sommer 1888 entstand das Liedchen Ein Lied (En visa) (als Verfasser des Textes hat Sibelius den Namen Baeckman festgehalten; von dieser Person und vom Text ist nichts Anderes bekannt). Orgien (Orgier), das auf einem Text des pietistischen Pfarrers und Dichters Lars Stenbäck basiert, entstand im Winter 1888–1889. In Orgien wird, dem Namen entsprechend, ein wildes Fest geschildert, das aber in Schuldgefühlen endet. Die Rhythmik der Melodie des Liedes erinnert an die Arie Finch’han dal vino in Don Giovanni. Die Ballade Die Waldnymphe (Skogsrået, Metsänhaltijatar), Text von Viktor Rydberg, komponierte Sibelius zum ersten Mal Anfang des Jahres 1889. Später machte der Komponist, inspiriert von demselben Gedicht, eine Orchesterballade (1894), ein darauf basierendes Melodrama (1895) sowie eine Fassung für Klavier aus der letzten Episode der Ballade. Der einzige gemeinsame Faktor der Orchesterballade und des Sologesangs ist der Text von Rydberg: Das Lied Die Waldnymphe (Skogsrået, Metsänhaltijatar) folgt der Tradition des deutschen Liedes und hat keine musikalischen Berührungspunkte mit den späteren Werken.
Als Sibelius 1889 nach Berlin reiste, um zu studieren, bekam er von Wegelius als Abschiedsgeschenk eine Gedichtsammlung von Runeberg. Er fing dann auch bald an, die Texte von Runeberg zu vertonen. Gleichheit (Likhet) ist das späteste der Lieder ohne Opusnummer aus der Frühperiode: Sibelius komponierte es im Herbst 1890 in Wien. Zur gleichen Zeit fing er an, das erste von den Liedern zu Runebergs Texten zu komponieren, die 1892 in der Liedersammlung Sieben Lieder von J. L. Runeberg mit Klavier (7 sånger af Runeberg i musik satta af Jean Sibelius) veröffentlicht wurden (seit 1905 op. 13). Die Sammlung stellt die meisten Liedertypen vor, die in Sibelius’ Produktion vorkommen. Unter Ufertannen (Under strandens granar) (Nr. 1) ist eines der umfangreichen Lieder, in dem die lyrischen Perioden mit dem dramatischen Rezitativ abwechseln. Im Klavieranteil sind orchestral klingende Tremolos zu hören, einer der pianistischen Effekte, die für Sibelius’ Lieder charakteristisch sind. In dem lyrischen und eleganten Lied Kusses Hoffnung (Kyssens hopp) (Nr. 2) ist impressionistische Tonmalerei zu hören, während wiederum in den Liedern Des Herzens Morgen (Hjärtats morgon) und Der Traum (Drömmen, Uni) (Nr. 5) volkstümliche Töne zu hören sind – das letztere fängt sogar mit einer Kalevala-artigen Gesangmelodie an. In der Liederproduktion von Sibelius gibt es jedoch keine anderen gleich offensichtlichen Hinweise auf Karelianismus in den 1890er Jahren.
Die Lobpreisung an Jugend und Liebe Frühling schwindet eilig (Våren flyktar hastigt, Kerkein kevät rientää) (op. 13 Nr. 4, 1892) komponierte Sibelius als einen frischen Dialog von Klavier und Gesang. An Frigga (Till Frigga) (Nr. 6) wächst aus einem bescheidenen und kleinförmigen Anfang zu einem Tableau der großen Leidenschaft und des Exotismus. Die vielseitige und farbenreiche Textur des Klavieranteiles fällt in diesem Lied auf. Der Jägerknabe (Jägargossen, Nuori metsämies) (Nr. 7) setzt die deutsche Tradition der Jägerlieder im Geist von Schubert und Wolf fort. Die zu dieser Zeit entstandenen Lieder Und ich fragte dann nicht wieder (Se’n har jag ej frågat mera, En mä enää tuota kysy, Text von Runeberg), Schlaf ein! (Sov in) und Lockung (Fågellek) (beide zu Texten von Karl August Tavaststjerna) fügte Sibelius später in Opus 17 ein.