Das Ende des Komponisten war schön. Sibelius diktierte im Sommer 1957 auf Aufforderung des Sängers Kim Borg neue Arrangements für die Lieder Kullervos Klage (Kullervon valitus) und Komm herbei, Tod! (Kom nu hit, död!, Saavuthan, yö!). Jussi Jalas durfte dabei als Schreiber tätig sein. Sibelius zeigte, dass er seine Arbeitsfähigkeit vollkommen erhalten hatte: Der Kopf funktionierte, obwohl seine Hände stark zitterten und es ihm sehr schwer fiel, Noten zu schreiben.
Im September kamen die Kraniche und nahmen Abschied. Ein Kranich flog so tief über Ainola, dass der Komponist ihn zum ersten Mal seit vielen Jahren sah, ungeachtet seines Stars. „Da waren sie jetzt, die Vögel meiner Jugend“, stellte Sibelius entzückt fest.
Als Sibelius am 20. September wach wurde, überkam ihn ein Schwindelgefühl. Er blätterte jedoch wie üblich die Tageszeitungen in seinem Bett durch: „Uusi Suomi“, „Hufvudstadsbladet“ und „Helsingin Sanomat“. Er zog sich an und ging kurz nach Mittag zum Frühstückstisch. Gegen ein Uhr, beim Frühstücken, sank er zusammen.
Sibelius hatte gerade noch Energie zu sagen, dass er seine Töchter Eva Paloheimo und Katarina Ilves erkenne, als sie in Ainola ankamen. Um neun Uhr abends starb er. Zur selben Zeit dirigierte Malcolm Sargent seine Symphonie Nr. 5 in einem Konzert in Helsinki, das vom Rundfunk übertragen wurde.
Am nächsten Tag teilte Eva Paloheimo etwas mit, was viele Menschen zum Staunen brachte: Es gab keine achte Symphonie. Nach den Angaben der Angehörigen gab es keine unveröffentlichten Werke. Später wurden in Ainola doch mehrere kleine unveröffentlichte Werke gefunden, aber die ersehnte Symphonie oder ein anderes neues, nach den 20er Jahren komponiertes, großes Werk wurde nicht gefunden.
Die Todesanzeige am 24. September erschütterte viele Leute. Aino Sibelius hatte den Text „Musik ist aus Sorgen entstanden“, vermutlich dem Wunsch ihres Ehegatten entsprechend, ausgewählt.
Am Sonntag, dem 29. September fand in Ainola eine kleine Gedenkveranstaltung statt, auf der Jussi Jalas Lied meines Herzens (Sydämeni Laulu) und Prosperos Melodien aus der Bühnenmusik Der Sturm (Myrsky) spielte. Nach der Veranstaltung wurde der Sarg des Komponisten in den Leichenwagen gebracht. Vor dem Dom von Helsinki trugen die Musiker des Stadtorchesters Helsinki und des Symphonieorchesters des finnischen Rundfunks den Sarg in die Kirche, während Tapani Valsta auf der Orgel Bach spielte.
Kurz vor neun Uhr abends wurden die Kirchentüren für die Bürger geöffnet und sie blieben bis Mitternacht auf. 17 000 Menschen nahmen am Sarg Abschied von dem Komponisten. Studenten hielten die ganze Nacht Ehrenwache.
Die Beerdigung von Sibelius
Filmmaterial von der Beerdigung, 1957. Berichterstattung auf Finnisch.
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Am Montag, dem 30. Sebtember, fand die Beerdigung statt. Als Beerdigungsmusik hörte man zwei von Sibelius‘ Kirchenliedern, drei Sätze aus der Musik Der Sturm (Myrsky), Der Schwan von Tuonela (Tuonelan joutsen), Il tempo largo aus der Symphonie Nr. 4 und In memoriam.
Nach dem Segen legten Aino Sibelius und Staatspräsident Urho Kekkonen ihre Kränze nieder. Uuno Klami und Einojuhani Rautavaara, beide einflussreiche Personen in der finnischen Musikwelt, trugen den Sarg zum Leichenwagen. Die Freimaurerbrüder, die sich unter den Begleitern befanden, zuckten zusammen, als sie eine ihnen bekannte Melodie erkannten. Es war die, von Sibelius im Jahr 1957 komponierte Ritualmusik, Marche funébre.
Der Sarg wurde nach Ainola transportiert. Menschen bildeten von Helsinki bis nach Järvenpää ein Ehrenspalier. In Ainola trugen die Angehörigen den Sarg auf eine Anhöhe, wo die ausgesuchte Grabstätte lag. Erik Bergman gab den nach Ainola eingeladenen Chören das Anfangszeichen. Man hörte wieder Lied meines Herzens (Sydämeni laulu).
Aino Sibelius sah am Grab sehr zerbrechlich aus. Wer hätte ahnen können, dass sie ihren Ehegatten um mehr als ein Jahrzehnt überleben würde. Aino Sibelius legte ihren Kranz auf das Grab nieder. Auf dem Kranzband war zu lesen: „Dankbar für das durch deine große Kunst geheiligte Leben. Deine Gemahlin“.
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Jean Sibelius‘ Grab im Hof von Ainola