Musik zu den Pressefeiern

Musik zu den Pressefeiern

[Op. 25/26] Musik zu den Pressefeiern (Musiikkia Sanomalehdistön päivien juhlanäytäntöön), Tableaumusik zu den Pressefeiern (die Tableaus arrangiert von Kaarlo Bergbom, die Prologtexte verfasst von Eino Leino und Jalmari Finne); Präludium und sechs Tableaus (erneute Fassungen: Siehe Orchesterwerke, op. 25 und 26). Vollendet 1899; Uraufführung am 4. November 1899 am Schwedischen Theater in Helsinki (Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Dirigent Jean Sibelius).

Op. 26 Finlandia, Tondichtung für Orchester, erneuerte Fassung aus der Musik zu den Pressefeiern (op. 25 und 26, Nr. 7 Finnland erwacht 1899), Erstaufführung am 2. Juli 1900 (Orchester der Philharmonischen Gesellschaft, Dirigent Robert Kajanus). Fassung für Klavier 1900, Finlandia-Hymne, Fassung für Männerchor, Text a) Wäinö Sola 1937; Erstaufführung am 21. April 1938 in Helsinki, Jubiläumsfeier der St. Johannes Loge (Pyhän Johanneksen Loosi) (Wäinö Sola, Martti Similä, Sulo Räikkönen, O. A. Turunen, Gesang und Arvi Karvonen, Harmonium), b) Veikko Antero Koskenniemi 1940; Erstaufführung am 7. Dezember 1940 in Helsinki Messehalle (Chor „Laulu-Miehet“, Dirigent Martti Turunen) und Fassung für gemischten Chor 1948, Finlandia-Hymne, Text V. A. Koskenniemi.

Im Februar 1899 unterzeichnete Zar Nikolaus II von Russland das Februarmanifest, das ein Versuch war, die Autonomie des Großfürstentums Finnland einzuschränken. Dieses Manifest erweckte auch im größten Teil der finnischen Kulturschaffenden Widerstand und Bilder mit Protestthemen wurden sehr beliebt.

Auch Sibelius wollte mit künstlerischen Mitteln an der Protestbewegung teilnehmen. 1899 komponierte er den Gesang der Athener (Athenarnes sång, Ateenalaisten laulu) und Eisgang auf dem Fluss Uleå (Jäänlähtö Oulunjoesta). Das Jahr wurde mit der Musik zu den Pressefeiern (Musiikkia Sanomalehdistön päivien juhlanäytäntöön) für das Schwedische Theater gekrönt. Die Aufführungen fanden Anfang November am Schwedischen Theater statt. Sibelius komponierte eine kurze Ouvertüre sowie Musik für sechs Tableaux: I Väinämöinen erfreut die Natur und das Volk aus Kalevala und Pohjola mit seinem Gesang (Väinämöinen ilahduttaa laulullaan luontoa, Kalevalan ja Pohjolan kansaa) II Die Finnen werden getauft (Suomalaisia kastetaan) III Am Hofe Herzog Johanns (Juhana Herttuan hovista) IV Die Finnen im Dreißigjährigen Krieg (Suomalaiset 30-vuotiaassa sodassa) V Während des großen Unfriedens (Isovihan aikana) [der große Unfriede herrschte in Finnland 1713–1721, als die russische Armee Finnland besetzte und das finnische Volk mit grausamer Brutalität unterdrückte], VI Finnland erwacht (Suomi herää).

Darüber hinaus komponierte er „stille Musik“ Hintergrundklänge zu den Tableautexten.

Die Tableaux behandelten also die Geschichte Finnlands. Für besonders mutig kann man das V Tableau Während des großen Unfriedens (Isoviha) halten, in dem die Ergebnisse der Zerstörung und Vernichtung der russischen Eroberer gezeigt wurden. Jetzt zensierten die Eroberer Finnlands Presse. Das Erscheinen der liberalen Zeitung „Päivälehti“, der Vorgängerin von Helsingin Sanomat, wurde für drei Monate eingestellt. Die vorsichtigere Zeitung „Uusi Suometar“ durfte weiterhin veröffentlicht werden.

Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf sollten für die Aufstockung des Rentenfonds der Journalisten verwendet werden. Jeder kannte den wirklichen Zweck: Die Kunstschaffenden wollten, entgegen den Absichten des Generalgouverneurs Bobrikov, die Freiheit der Meinungsäußerung unterstützen.

Das Tableau des großen Unfriedens brachte Problematik in die Vorstellung. Die Mutter Finnland saß verfroren auf einem Schneefeld mit ihren vor Kälte schauernden Kindern. Sie waren von Krieg, Frost, Hunger und Tod bedroht. Sibelius komponierte die dunkelste und asketischste Musik, die man sich nur vorstellen konnte.

Hier war der Ausgangspunkt für das letzte Tableau, Finnland erwacht (Suomi herää), zu dem Eino Leino einen passenden, pathetischen Text geschrieben hatte. Sibelius hob seinen Taktstock, während das Stimmengewirr weiterging. Die trotzigen Blechakkorde berührten den jungen Heikki Klemetti, der sich im Publikum befand, tief. „Jene düsteren phantastischen Töne gleich am Anfang des heutigen Finlandia rollten durch das Tableau, das die Grausamkeiten ‚des großen Unfriedens‘ schilderte“, schrieb Klemetti später.

Finnland erwacht (Suomi herää) war wirklich eine frühe Version von Finlandia. Da der Augenzeuge Klemetti erzählte, dass die Musik während des Tableaus „des großen Unfriedens“ anfing, können die Anfangstakte nicht das Geräusch einer Dampflokomotive darstellen, wie irgendwann scherzhaft behauptet worden war. Eine Lokomotive kam allerdings auch in dem Tableau vor, aber nach dem Manuskript erst nach den Szenen, in denen u. a. die Ära von Aleksander II, die Heldentaten des Dichters Runeberg, des Staatsmannes Snellman und des Sammlers und Herausgebers des Kalevalas (Kalevala) Lönnrot geschildert wurden.

Finlandia wurde mit Sicherheit nicht komponiert, um diese bunten Ereignisse zu schildern. Sibelius wollte ganz allgemein das Erwachen und den Kampfgeist Finnlands wiedergeben. Später erzählte Sibelius Jalmari Finne, dass er beim Komponieren keine Ahnung von der speziellen Art von Finlandia gehabt hätte. Erst als er die Partitur dem Notenstecher Ernst Röllig brachte, fiel ihm auf, dass die Komposition etwas Bedeutendes sein könnte.

Außer Klemetti waren es nur wenige, die beim Treffen des Gesellschaftskreises der Musik zuhörten. „Vieles ist in dem Festrummel des Abends verloren gegangen und es schien, dass auch das Publikum sich nicht auf höhere Kunst konzentrieren konnte“ schrieb der Reporter von „Uusi Suometar“. Der Dirigent Robert Kajanus verstand jedoch die Bedeutung der Musik. Er dirigierte schon am 14. Dezember vier Teile der Musik in seinem Konzert. Schlussnummer war wieder Finnland erwacht (Suomi herää). Jetzt durfte auch „Päivälehti“ wieder erscheinen und der Kritiker Oskar Merikanto glühte vor Begeisterung.

„Als Konzertmusik zeigte sie [die Tableaumusik] erst recht ihre Kraft. Dieses Werk beinhaltet nämlich Stellen, die mit der Größe der Gedanken und Stimmungen, mit dem Reichtum der Phantasie, mit der Instrumentation und mit der herzhaften Melodie die früheren Werke von Sibelius übertreffen.

Kajanus und Sibelius dirigierten in den nächsten Monaten die besten Abschnitte der Tableaumusik in Helsinki und Turku. Es wurde beschlossen den Schlusssatz der Suite auch auf der Europa-Tournee von Kajanus’ Orchester aufzuführen, die auf der Pariser Weltausstellung enden sollte. Axel Carpelan geriet außer sich: „Warum wird nur der letzte Teil von dieser „im symphonischen Stil“ komponierten Suite (sicherlich der beste) in Paris gespielt? Wenn ich mich auf die Beschreibungen dieser Tableaumusik durch andere verlassen kann, dann sollte sie in ihrer Gänze oder mindestens vier Teile daraus gespielt werden. Ich bin nicht sicher, ob der Name ’La Patrie’ gut ist!“

Es war schwierig einen Namen für Sibelius’ Werk zu finden: Es hatte in Konzerten verschiedene Namen gehabt, u. a.: Finnland (Suomi), Finnland erwacht (Suomen herääminen) oder Finale. Auf der Tournee hieß das Werk zumindest Vaterland und La Patrie. Im November 1900 erhielt die Klavierfassung des Tableaus jedoch den von Axel Carpelan vorgeschlagenen Namen Finlandia, und im Februar 1901 dirigierte Kajanus endlich auch die Orchesterfassung unter dem Namen Finlandia.

Bald wurde das Werk in einer verbesserten Fassung gedruckt und die Welteroberung konnte beginnen. Schon 1909 wurde ein Ausschnitt daraus, mit Ronald Landon als Dirigent, aufgenommen.

„Warum gefällt diese Tondichtung dem Publikum? Wahrscheinlich wegen dem ‚plein air’ Stil. Sie ist tatsächlich nur aus ‚vom Himmel gegebenen’ Themen gebildet. Reine Inspiration“, schrieb der Komponist 1911 in sein Tagebuch.

Im gleichen Jahr arbeitete er noch die, seiner Meinung nach besten Stücke der Tableaumusik, in die Orchestersuite Scènes historiques I (Historiallisia kuvia I) um. Die ursprünglichen Tableaux wurden erst am Kalevala-Tag 1921 erneuert. Ende der 1990er Jahre wurde die ursprüngliche Tableaumusik zum ersten Mal aufgenommen – aufgeführt vom Stadtorchester Tampere mit dem Dirigenten Tuomas Ollila. Danach entstanden auch Aufnahmen der ursprünglichen Tableaumusik mit dem Stadtorchester Lahti.

Finlandia wurde ein Hit, aus dem vielerlei Arrangements gemacht worden sind: eine Fassung für Militärorchester 1909, schon 1925 eine englischsprachige Fassung für Chor und Orchester und in den 1940er Jahren eine Fassung für Marimbaorchester. Sibelius hörte 1921 die Version eines Restauranttrios in Bergen und verbot dem Orchester höflich sie zu spielen. Aber es sollte noch schlimmer kommen.

„Auch ich wurde einmal um Erlaubnis für eine Jazz-Fassung von Finlandia gebeten. Ich antwortete, dass diese Frage mich tief verletzte. Dennoch sind aus vielen meiner Kompositionen, u. a. gerade aus Finlandia, Jazzversionen gemacht worden“, nörgelte 1931 der Komponist.

Ein eigenes Problem brachte die Hymnenepisode in der Mitte des Werkes mit sich, die wie zum Singen geschaffen war. Bald wurde Finlandia überall in der Welt gesungen, zum Beispiel mit Texten wie Be Still My Soul (Sei still meine Seele), At the table (Am Tisch), Dear Friend of Mine (Mein lieber Freund), Land of the Pine (Das Land der Kiefer), Christian Life (Christliches Leben) und Our Farewell Song (Unser Abschiedslied).

„Es ist nicht zum Singen gedacht“, ärgerte sich Sibelius. „Es ist ja für ein Orchester komponiert. Aber wenn die Welt singen will, dann kann man wohl nichts dagegen tun.“

Auch in Finnland schöpfte man Mut. Zumindest Jalmari Finne und Yrjö Sjöblom machten frühe Textentwürfe. Der Tenor Wäinö Sola schickte 1937 seine eigene Version an Sibelius. Nach einer Bearbeitung schuf der über 70-jährige Sibelius aus dem Text von Sola für die Freimaurer eine Fassung für Männerchor.

Der Text von V. A. Koskenniemi erreichte höchste Beliebtheit. Der Chor „Laulu-Miehet“ hatte den Text von V. A. Koskenniemi bestellt. Ein Brief von Martti Turunen im September 1940 erzählt über den Hintergrund des Auftrages:

„Vor kurzer Zeit nahmen Mitglieder des Chors „Laulu-Miehet“ Kontakt mit Prof. Koskenniemi auf und baten ihn um einen Text für Finlandia. Koskenniemi willigte ein und schickte seinen Gedichtvorschlag in der folgenden Fassung. „Laulu-Miehet“ möchten Finlandia mit diesem Text singen, wenn wir, Herr Professor, Ihre Erlaubnis dafür bekommen.“

Sibelius willigte ein. Der Text von Koskenniemi eroberte die Herzen der Finnen sowohl in der Gedichtsammlung Latuja lumessa 1940 als auch als Text der Hymnenstelle von Finlandia.
Finlandia fängt mit einem Thema an, in dem die Blechblasinstrumente drohend klingen und sich das Forte sofort ins Fortissimo steigert.

Die erste Seite von Finlandia, Breitkopf & Härtel

Die Antwort der Holzblasinstrumente ist erhaben, sie hat sogar etwas Heiliges in sich. Die Streichinstrumente bringen den Klang von Humanität hinein. Das Tempo ändert sich nach der langsamen Einleitung in Allegro moderato. Die Fanfare der Blechblasinstrumente spiegelt die Kampfstimmung wider. Im Allegro-Tempo ist schon Vertrauen zu hören.

Finlandia, Auszug der Partiturseite 11, Breitkopf & Härtel

Das weltberühmte Hymnenthema wird zuerst mit Holzblasinstrumenten gehört.

Finlandia, Auszug der Partiturseite 17, Breitkopf & Härtel

Die Streichinstrumente setzen das Hymnenthema fort, das Leopold Stokowski als Nationalhymne für die ganze Welt vorschlug. Nach der Hymne beschleunigt sich das Tempo, die Blechfanfaren kehren zurück und die ziemlich kurze Tondichtung stürmt siegesfroh ihrem Ende entgegen, während das Hymnenthema noch durch die Blechbläser dünn nachklingt.

 

Finlandia, 12 letzte Takte

„Alle anderen [außer den Kritikern] rufen hurra für diese, mit meinen anderen Werken verglichen, relativ bescheidene Komposition“, wunderte sich Sibelius 1911. Und wenn dreißig Jahre später in Ainola Verehrerpost geöffnet wurde, wurde im Allgemeinen für die Absender, die nur Valse Trieste und Finlandia erwähnten, keine Sympathie empfunden.

„Wenn nur diese Kompositionen und keine größeren Werke erwähnt wurden, vermutete man, dass der [um ein Autogramm] Bittende kein seriöser Musikfreund wäre“, schrieb der Privatsekretär Santeri Levas.

Der alte Komponist willigte jedoch ein, den Wert seiner beliebtesten Werke anzuerkennen. „Nein, so würde ich nicht sagen. Sie sind schon gute Kompositionen, alle beide“, meinte er.