Der 23-jährige Sibelius hatte in Berlin beeindruckende musikalische Erlebnisse. Schon am ersten Abend hörte er in der Kroll-Oper eine Aufführung von Mozarts Oper Don Giovanni. Während des Studienjahres hörte er u. a. auch die Wagneropern Tannhäuser und Die Meistersinger von Nürnberg. Er besuchte auch die legendären „Historischen Klavierabende“ von Hans von Bülow und die von diesem dirigierten Beethoven-Konzerte mit den Berliner Philharmonikern und hörte die Komposition Don Juan, die Richard Strauss in seinen jungen Jahren komponiert hatte. Die Aufführungen des Joseph Joachim Quartetts, z. B. Beethovens Quartett in F-Dur op. 59 und Schuberts Quartett in C-Dur, machten einen gewaltigen Eindruck auf Sibelius.
Sibelius wurde Schüler von Albert Becker und musste hart an den von Becker eingeforderten Übungen arbeiten. Becker war ein geschätzter Fachmann, Komponist der beliebten Messe in b-Moll und Mitglied des Vorstands der königlichen Kunstakademie. Die endlosen Übungen an Fugen und eine auf den Kontrapunkt gerichtete Strebsamkeit waren sicherlich nützlich, aber verdorrten die Inspiration. Sibelius kam für Monate die Freude am Komponieren abhanden.
Sibelius stand dem Eisernen Kanzler in Berlin, Otto von Bismarck und dem, von ihm geschaffenen Zeitgeist, abweisend gegenüber. Er hielt ihn für zu pessimistisch und für zu konservativ. Er verkehrte in erster Linie mit anderen ausländischen Studenten wie dem Dänen Fini Henriques und dem norwegischen Schriftsteller Gabriel Finne sowie mit Adolf Paul. Sibelius spielte mit seinen Freunden Kammermusik und kaufte in örtlichen Antiquariaten billige Partituren. Abends lebte er weitaus über seine Mittel; er erstand Opernkarten für die besten und teuersten Sitzplätze und schlemmte in den allerfeinsten Restaurants Leckerbissen. Das fröhliche Studentenleben führte zu Kränkelei, gemäß seinem kecken Briefwechsel sogar zu einer Geschlechtskrankheit. Im November 1889 musste Sibelius in der Folge auch in Krankenhausbehandlung.
Nach seiner Genesung traf er Ferruccio Busoni. Dieser lud Sibelius und dessen Freund Paul nach Leipzig ein, um die Uraufführung eines Klavierquintetts ihres gemeinsamen Freundes Christian Sinding zu hören. Busoni spielte in diesem Konzert das Klavier. Sindings Werk brachte Sibelius wieder in Komponierlaune. Er arbeitete im Frühjahr 1890 das einzige bedeutende Werk aus, das er in seiner Berliner Zeit komponierte, das Klavierquintett in g-Moll.
Mitten in seiner Kompositionsarbeit besuchte er eine Aufführung der Aino-Komposition von Robert Kajanus. Der Komponist selbst dirigierte die Berliner Philharmoniker. Sibelius war von dem Werk nicht begeistert, aber auch er hielt das Zusammenführen von Kalevala und Musik für interessant und wünschte sich die Möglichkeit, auch seine eigenen Werke in so schicklichem Rahmen aufführen zu können. „Nächstes Mal stehe ich auf der Bühne“, versprach sich Sibelius, als er das Konzert verließ. Dieser Wunsch ging zwölf Jahre später in Erfüllung, als er sein Werk Eine Sage (Satu) in einem Konzert mit den Berliner Philharmonikern auf derselben Bühne dirigierte.
Becker war mit dem Klavierquintett zufrieden und stellte Sibelius ein wohlwollendes Zeugnis aus, in dem auch die Bedeutung weiterer Studien betont wurde. Das Klavierquintett reichte dem Senat als Nachweis und er bewilligte Sibelius auch für das folgende Studienjahr ein Stipendium in der Höhe von 2000 Mark (das wären gegenwärtig etwa 8000 Euro).
Sibelius hegte jedoch nicht die Absicht, nach Berlin zurückzukehren. Nachdem er den Sommer in Finnland verbracht hatte, wollte er nach Wien fahren. Die Abfahrt verzögerte sich jedoch, denn die Romanze mit Aino Järnefelt flammte wieder auf und führte zu einer heimlichen Verlobung im September. Sibelius komponierte im Herbst auch ein Quartett in B-Dur, das eine seiner besten Jugendarbeiten darstellt. Dem ausgewogenen Werk verlieh Sibelius, als einzigem Quartett seiner Studienjahre, sogar eine Opusnummer.