[Op. 54] Schwanenweiß (Svanevit, Joutsikki) Musik für das gleichnamige Schauspiel von August Strindberg: ein Hornsignal und dreizehn Nummern. Vollendet 1908, Erstaufführung am 8. April 1908 am Schwedischen Theater in Helsinki, Dirigent Jean Sibelius. (Fassung: siehe Orchesterwerke, op. 54.)
Op. 54 Schwanenweiß (Joutsikki), Suite. Aus der Musik für das gleichnamige Schauspiel von August Strindberg: 1. Der Pfau (Riikinkukko), 2. Harfenspiel (Harpunsoittaja), 3. Die Mädchen mit den Rosen (Ruusuneito), 4. „Horch, das Rotkehlchen singt…“ (Punarintasatakieli laulaa), 5. Der Prinz alleine (Prinssi yksin), 6. Schwanenweiß und der Prinz (Joutsikki ja prinssi), 7. Lobgesang (Ylistyslaulu). Vollendet 1909.
Schwanenweiß (Joutsikki) ist in vieler Hinsicht Fortsetzung der Bühnenmusik Pelléas und Mélisande. Die berühmte schwedische Schauspielerin Harriet Bosse war 1906 als Mélisande am Schwedischen Theater in Helsinki aufgetreten und sie war von Sibelius’ Musik entzückt. Bosse schlug August Strindberg vor, dass Sibelius auch für sein Schauspiel Schwanenweiß (Joutsikki) die Musik komponieren könnte. Der Schriftsteller stimmte zu, was für Sibelius ein spannendes Erlebnis sein musste. Der Komponist war nämlich als junger Mann sehr von Strindberg bezaubert gewesen, aber später gab es in Strindbergs Werken auch Züge, die Sibelius fremd vorkamen.
Schwanenweiß (Joutsikki) war Strindbergs Antwort auf den Symbolismus von Maeterlinck. Es war eine märchenhafte Geschichte von einer 15-jährigen Prinzessin in einem Märchenschloss mit dem Vater, der Herzog war und mit der bösen Stiefmutter. Die Prinzessin Schwanenweiß war dem König des Nachbarlandes als Gattin versprochen worden, aber sie verliebte sich in den Boten, einen Prinzen.
Sibelius komponierte für das Schauspiel ein Hornsignal und dreizehn Nummern für ein Theaterorchester mit dreizehn Musikern. Nach dem Signal ist die Pantomimenszene zu hören. Die Prinzessin Schwanenweiß und der Prinz treffen sich.
Die sehr kurze dritte Musiknummer beschreibt den Flug der guten Schwanenmutter der Prinzessin Schwanenweiß. In der vierten Nummer werden die Stimmungen der Schwanenmutter beschrieben, als sie ihre Tochter schmutzig und ungekämmt auffindet. In der fünften Nummer, die nur einen Akkord umfasst, kommt die Schwanenmutter des Prinzen geflogen. Die Pizzicatofiguren der zentralen 6. Szene beschreiben das Spielen der Zauberharfe. Durch ihre Kraft bekommt Schwanenweiß saubere Kleidung und eine gepflegte Frisur. Die siebte Nummer beschreibt Schwanenweiß, wie sie von ihrem Prinzen träumt. Die dunkle Melodie der achten Nummer beschreibt den Kummer des Prinzen: Die Liebenden haben sich gestritten. Die neunte Nummer beschreibt den Hochzeitswalzer, den der beleidigte Prinz mit einem anderen Mädchen, Magdalena, tanzen will. Unter dem Schleier der Braut kommt jedoch Schwanenweiß zum Vorschein. Das Paar wird ins Bett gebracht, aber zwischen die Brautleute wird ein Schwert gelegt. Die zehnte Nummer ist Kulissenmusik zu den Liebenden im Bett.
Die elfte Szene ist besonders interessant, weil deren Material 1915 in den langsamen Satz der Symphonie Nr. 5 gelangte. Im ursprünglichen Zusammenhang untermalt die Musik das Wiedersehen von Prinz und Schwanenweiß nach deren Bestrafung. In der Nummer zwölf bläst Schwanenweiß wieder in das Zauberhorn, um Hilfe von ihrem Vater zu bekommen, nachdem der böse König den Prinzen gezwungen hatte, mit seinem Schiff zu fliehen. Der Vater löst auch die Probleme, aber im Takt der Nummer dreizehn wird der ertrunkene Prinz zu Schwanenweiß gebracht. In der vierzehnten Szene (wenn das Hornsignal als Nummer eins gilt) erweckt Schwanenweiß den Prinzen zum Leben, und die Musik bringt sakralen Klang in die Szene. Kurz nach der Uraufführung schrieb Sibelius für die letzte Szene der Bühnenmusik auch noch eine Orgelstimme, um die sakrale Stimmung zu betonen.
Die Uraufführung war am 8. April am Schwedischen Theater in Helsinki. Sibelius dirigierte die dreizehn Musiker des Theaterorchesters. In „Helsingin Sanomat“ schrieb ein Kritiker unter dem Pseudonym „V“, dass die Bühnenmusik besser wäre, als die Musik zu König Kristian II (Kuningas Kristian II), Pelléas und Mélisande (Pelléas ja Mélisande) oder Belsazar’s Gastmahl (Belsazarin pidot). „Es gibt kaum etwas anderes, das in Feinheit und in poetischer Schönheit mit Schwanenweiß (Joutsikki) verglichen werden kann“, schrieb der Kritiker. Das Schauspiel war ungeachtet der erhöhten Kartenpreise ein bedeutender Erfolg. Es wurde auch sehr bald, schon Ende 1908, wieder in das Repertoire aufgenommen.
Sibelius arbeitete 1908 die Musik auch zu einer Orchestersuite um. Er fasste die Musiknummern zusammen und sezte sie so zusammen, dass die Suite aus sieben Teilen bestand, obwohl sie den größten Teil des Materials für die Bühnenmusik umfasste. Sibelius plante die Suite für ein etwas größeres Orchester: jetzt kamen auch ein Bügelhornquartett, Harfe und Kastagnetten dazu.
Sibelius führte die Suite oder Teile davon ab und zu in seinen Konzerten auf. Die bezaubernde Suite enthält keine großen dramatischen Gegensätze. Sie ist ein märchenhafteres und liebenswürdigeres Werk als die dunkelschimmernde Pelléas-Musik.