Der Komponist besuchte in diesen Jahren Sitzungen der Euterpe-Gruppe in Helsinki. „Euterpe“ war eine finnlandschwedische, literarische Zeitschrift, deren Redakteure von einem alten Bekannten von Sibelius, einer Art Vaterfigur, Werner Söderhjelm, geleitet wurde. Wie einst die Symposion-Abende, so zogen sich auch die Sitzungen der Euterpe-Gruppe oft bis in die Morgenstunden hin, was bei den Gattinnen Kummer und Sorgen zur Folge hatte. Sibelius schickte zum Beispiel aus dem Restaurant König Zettel an Aino, auf denen er mitteilte, dass er „schön langsam“ nach Hause käme. Auf die Rückseite eines dieser Zettel schrieb Aino nach dem Tod ihres Mannes: „Traurige Briefe 1903–1904, nicht aufheben!“.
Der Familie Sibelius wurde im Januar 1903 die vierte Tochter, Katarina, geboren. Sie gab ihnen jetzt Trost, obwohl sie nicht den Schmerz, den Kirstis Tod verursacht hatte, verdrängen konnte.
Sibelius dirigierte seine Musik in Tampere und in Helsinki sowie im Frühling in Tallinn. Die Familie verbrachte den Frühling in Lohja und der Komponist konzentrierte sich auf das Komponieren eines Violinconcertos. Die besten Freunde waren sich jedoch schon lange darüber im Klaren, dass Sibelius seine Schaffenskraft nur weit weg von den Versuchungen Helsinkis aufrecht erhalten könnte. Zum Beispiel waren im Herbst 1903 seine Restaurantrechnungen hoch, sogar Summen von ein paar hundert Euro an einem Abend in Gegenwartswährung. Seine Schaffenskraft blieb dennoch erhalten: Er komponierte neben seinem Violinconcerto meisterhafte Lieder, wie In der Nacht (I natten), Auf dem Balkon am Meer (På verandan vid havet) und Herbstabend (Höstkväll).
Sein größter Erfolg war jedoch Valse triste, der traurige Walzer, den er zum Schauspiel Der Tod (Kuolema) seines Schwagers Arvid Järnefelt komponierte. Seine nächste Umgebung hatte jedoch Angst, dass Janne wegen seiner Lebensweise einen wahren Todeswalzer tanzte. „Janne, du musst anfangen, abstinent zu leben. Das musst du unbedingt”, schrieb ihm der Bruder Christian am 19. November. Einen Tag davor hatte Janne auch selbst Maßnahmen getroffen, um von Helsinkis Versuchungen wegzukommen: Er kaufte ein Grundstück für ein künftiges Haus, am Tuusulanjärvi, 45 km nördlich von Helsinki. Das Haus sollte Ainola („Ainos Platz“) heißen und es sollte das feste Heim der Familie Sibelius werden.
Valse triste wurde knapp vor der Uraufführung des Schauspiels Der Tod fertig. Nach Aussage des schrulligen Freundes von Sibelius, Sigurd Wettenhovi-Aspa, entstand die Idee zu einem Walzer mit Hilfe von Austern, Sodawasser und Chinin im oberen Stockwerk des Restaurants Kämp. Sibelius, der an Erkältung litt, trank keinen Alkohol, nahm aber das Arzneimittel seiner Zeit, Chinin, desto tüchtiger ein. Sibelius sah sich einige Monate später in seiner Geldnot gezwungen, Valse triste sehr günstig seinem Verleger zu verkaufen, ohne das Erfolgspotential der Komposition zu ahnen. Schon ein paar Jahre später war das Werk weltberühmt.
Anfang 1904 fand Sibelius Zeit, sein Violinconcerto zu vollenden, die Bauarbeiten von Ainola zu organisieren und kräftig zu feiern. Das Concerto wurde am 8. Februar uraufgeführt, aber der Solist Viktor Nováček konnte das Publikum nicht vom Wert des Werkes überzeugen. Sibelius zog das Concerto zurück und überarbeitete es so, dass es kompakter und etwas leichter wurde. Die neue Version wurde im Frühling 1905 in Berlin aufgeführt.
Das Leben von Sibelius ging sehr beschäftigt weiter: die Bauarbeiten von Ainola hatten im Februar angefangen, die Löhne der Zimmerleute verschlangen viel Geld und die Abende in den Restaurants Catani und Kämp kamen ihm nicht gerade billig. Die erschöpfte Aino bat Christian Sibelius in Berlin um Hilfe. Christian gab Janne und Aino strikte Anweisungen. Die Zechgelage sollten aufhören, koste es, was es wolle. Bruder Christian als Arzt versprach, Janne ein Rezept für Alkohol ersetzende, ungefährlichere Arzneipulver auszustellen.
Die Saufperiode konnte unterbrochen werden und Sibelius konzentrierte sich wieder auf die Kapellmeisterarbeiten. Er sammelte mit Konzerten u. a. in Helsinki, Turku und Vaasa Geld für den Bau von Ainola. „Ich bin die zwei Wochen nach meinem Konzert ohne Alkohol gewesen“, teilte er Christian am 24. April in einem Brief mit. Anfang Juni wurde die Tournee im Kurbad Kadriorg in Tallinn und im Sommer in Lettland fortgesetzt.
Im Sommer wohnte die Familie schon in Tuusula, um die Bauarbeiten zu beaufsichtigen und am 24. September erfolgte der Umzug nach Ainola.
So wurde die Familie Sibelius Teil der Künstlergemeinschaft am See Tuusulanjärvi. Zu der Gemeinschaft gehörten u. a. auch Eero Järnefelt (Schwager des Komponisten), der Maler Pekka Halonen und der Schriftsteller Juhani Aho, alle mit Familien. Diese Künstler sind die Elite des finnischen Kulturlebens geworden.
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Trotz des Gemeinschaftsgefühls der Künstler stellte der Umzug für Sibelius‘ Probleme keine Erleichterung dar. Bevor das Obergeschoss 1911 ausgebaut wurde, war Ainola zu klein für die große Familie. Obwohl den Kindern beigebracht worden war, leise zu sein, wenn der Vater komponierte, hatte Sibelius in der Praxis seine Arbeitsruhe vorwiegend nachts.