Op. 64 Der Barde (Bardi), Tondichtung. 1. Fassung 1913, Erstaufführung am 27. März 1913 in Helsinki (Orchester der Philharmonischen Gesellschaft, Dirigent Jean Sibelius). Endgültige Fassung 1914, Erstaufführung am 9. Januar 1916 in Helsinki (Orchester der Philharmonischen Gesellschaft, Dirigent Jean Sibelius).
Der Barde (Bardi) ist eines der feinsten kleinen Orchesterwerke von Sibelius. Andrew Barnett, der sich mit Sibelius beschäftigte, vermutete, dass es sich um den verschollenen ersten Satz der ersten dreisätzigen Skizzenfassung des Werkes Die Okeaniden (Aallottaret) handeln könnte. Erik Tawaststjerna wiederum vermutete, dass Sibelius vom Gedicht Bardi von Runeberg inspiriert worden wäre, obwohl der Komponist selbst diese Behauptung bestritt. Der Arbeitstitel des Werkes Der Barde (Bardi) war allem Anschein nach „Der Ritter und die Najade“. Die Najaden lenken die Gedanken natürlich auch auf Die Okeaniden (Aallottaret).
Es ist wohl möglich, dass es mehr außermusikalische Inspirationsquellen gab als eine. Sibelius selbst assoziierte das Motiv mit der Welt der Gesänge von Edda und Ossian und sagte, dass die Komposition „quasi eine altskandinavische Ballade aus der Wikingerzeit erzählt“.
Der Barde (Bardi) wurde am 27. März 1913 im Konzert des Philharmonischen Orchesters in Helsinki uraufgeführt. Otto Kotilainen stellte das Werk in „Helsingin Sanomat“ vor:
„Das Werk schildert die Begeisterung eines Heldensängers, eines Barden, beim Vortrag seines Heldengedichts. Diese neue Komposition ist ein wahres Meisterwerk, das als ein wertvoller Zusatz zur großartigen Produktion von Sibelius gesehen werden kann. Durch das Verwenden einer scheinbar anspruchslosen Form lässt der Komponist in diesem kurzen Werk seine musikalischen Phantasien herum schweben. Die Streichinstrumente tönen weich und zart wie sanfte Stimmen durch das ganze Werk, begleitet von farbenreichen und feinen Figuren der Soloharfe. Die Komposition endet mit einer kraftvollen und weitläufigen Steigerung der Blechblasinstrumente. Neben der meisterhaften Formung hat das Werk auch seltsame, reiche Farben. Das Werk wurde zwei Mal aufgeführt und das Publikum war sehr begeistert.“
Heute ist die Steigerung am Schluss des Werkes Der Barde (Bardi) sehr selten „kraftvoll und weitläufig“. Die Akkorde der Harfe machen die Stimmung etwas mystisch und nostalgisch. Die Musik ist reich an Einzelheiten und scheint wie eine Studie der Klangfarben zu sein. Das thematische Material gestaltet sich nach und nach immer klarer in der Largamente-Episode. Nach der kurzen Klimax ist ein philosophischer Epilog zu hören, dessen Material mit der Einleitung verwandt ist.
Erik Tawaststjerna hatte eine überraschende Assoziation im Zusammenhang mit dem Werk Der Barde (Bardi): „Es gibt etwas von Anton Webern in Sibelius“. „Die Form geht frei vorwärts, wie ein Gedicht, das Hinweise, Flüstern und kleine Unterstreichungen beinhaltet und das irgendwie in der Ferne schwebt“, lobte Erkki Salmenhaara.
Das rätselhafte Werk Der Barde (Bardi) ist noch ab und zu in Konzertprogrammen zu finden und es verwirrt das Publikum immer mit seiner Feinfühligkeit.