Die Arrangements von Sibelius für Singstimme und Klavier können in drei Gruppen eingeteilt werden. Sechs Lieder sind Arrangements von Liedern aus Bühnenmusikwerken (I): Das Lied von der Kreuzspinne (Laulu ristilukista) (op. 27 Nr. 4), Komm herbei, Tod! (Kom nu hit död!, Saavuthan yö!) (op. 60 Nr. 1), Heisa hopsa, bei Regen und Wind (Hållilå uti storm och i regn, Hei ja hoi, miten myrsky soi) (op. 60 Nr. 2), Die drei blinden Schwestern (De trenne blinda systrar, Kolme sokeaa sisarta), Lied des jüdischen Mädchens (Den judiska flickans sång, Juutalaistytön laulu) und Solitude. (II) Fünf Werke sind Fassungen aus Kompositionen für Singstimme und Orchester: Arioso (op. 3), Kullervos Wehruf/Klage (Kullervon valitus) op. 7), Des Fährmanns Bräute (Koskenlaskijan morsiamet) (op. 33), Luonnotar (op. 70), Autrefois (op. 96b). (III) Das Lied Der Brückenwächter (Siltavahti) ist das Arrangement eines Chorliedes.
Zu der breitgefächerten Produktion der Bühnenmusik von Sibelius gehören zahlreiche Lieder, aus denen er später einen Teil für Singstimme und Klavier arrangierte. Sibelius komponierte 1898 sein erstes Bühnenmusikwerk zum Schauspiel König Kristian II (Kuningas/Kung Kristian II) von Adolf Paul, dem er in Freundschaft eng verbunden war. Die einzige Gesangnummer der Bühnenmusik, Das Lied von der Kreuzspinne (Laulu ristilukista), das von einem Narren vorgetragen wird, arrangierte Sibelius schon 1898 für Singstimme und Klavier. Das Lied von der Kreuzspinne ist einer der am öftesten aufgeführten Sologesänge in den Repertoires der Sänger.
Die drei blinden Schwestern (Kolme sokeaa sisarta) stammt aus der Bühnenmusik von Sibelius zu dem berühmten Schauspiel Pélléas und Mélisande (Pélléas och Mélisande, ins Schwedische von Bertel Gripenberg) von Maurice Maeterlinck. Das Lied Mélisande arrangierte Sibelius 1905 für Singstimme und Klavier und der Verleger Robert Lienau veröffentlichte es noch im selben Jahr.
Lied des jüdischen Mädchens (Den judiska flickans sång, Juutalaistytön laulu) (1907) und Solitude (1939) sind Fassungen ein und desselben Liedes, das ursprünglich für das Schauspiel Belsazar’s Gastmahl (Belsazars gästabud, Belsazarin pidot) von Hjalmar Procopé komponiert wurde. Im zweiten Akt des Schauspiels trägt ein auf einem Fluss ruderndes, unbekanntes Mädchen dieses Lied vor. Die erste Fassung für Singstimme und Klavier, Lied des jüdischen Mädchens (Den judiska flickans sång, Juutalaistytön laulu), komponierte Sibelius vermutlich im Jahr 1907, aber er kehrte 1939 – über dreißig Jahre später – auf das Lied zurück. Er schuf daraus seine zweite Fassung Solitude, die er der amerikanischen Altsängerin Marian Anderson widmete.
Sibelius komponierte zum Schauspiel Was ihr wollt (Trettondagsafton, Loppiaisaatto, ins Schwedische übersetzt von Carl August Hagberg) von Shakespeare zwei Lieder Komm herbei, Tod! (Kom nu hit, död!, Saavuthan yö!) und Heisa hopsa, bei Regen und Wind (Hållilå uti storm och i regn, Hei ja hoi, miten myrsky se soi) (op. 60, Nr. 1 und 2). Im Schauspiel trägt ein Narr beide Lieder mit Gitarrenbegleitung vor. Die Fassungen für Singstimme und Klavier verfertigte Sibelius spätestens im Herbst 1910, wo Breitkopf & Härtel sowohl die Originalfassungen als auch die Arrangements veröffentlichte. Das erste der Lieder arrangierte Sibelius 1957 noch für Singstimme und Orchester.
Sibelius arrangierte auch solche Werke, die er schon für Singstimme und Klavier arrangiert hatte, noch für Singstimme und Orchester. Das früheste Arrangement ist der an den deutschsprachigen Text angepasste Monolog Kullervos Wehruf (1893, Übersetzung von Anton Schiefner) aus dem Ende des dritten Satzes von Kullervo (op. 7, 1892). 1918 fertigte Sibelius aus dem Lied eine zweite Fassung mit dem Originaltext an und gab ihr den Titel Kullervon valitus (Kullervos Wehruf). In beiden Arrangements strebt das Tremolo des Klaviers nach orchestraler Wirkung.
Die romantische Ballade, Des Fährmanns Bräute (Koskenlaskijan morsiamet) (op. 33) für Bariton und Orchester, die auf einem Gedicht von A. Oksanen alias August Ahlquist beruht, wurde 1897 uraufgeführt. Bei der Uraufführung trat der Bassbariton Abraham Ojanperä als Solist auf. Die Fassung für Singstimme und Klavier mag zur selben Zeit entstanden sein, der letzte Schliff wurde ihr aber wahrscheinlich erst 1899 gegeben. Der Klavieranteil der Fassung mit seinen an Liszt erinnernden Oktavenläufen gehört zu den virtuosesten in Sibelius’ Produktion.
Arioso für Singstimme und Streichorchester (op. 3, Text von Runeberg) wurde 1911 vollendet. Der Klavieranteil der Fassung versucht dem polyphonischen Gewebe der Streicher des originellen Werkes zu folgen. Luonnotar (op. 70) für Sopran und Orchester entstand im selben Jahr, als Arioso veröffentlicht wurde, also 1913. Die Fassung für Sopran und Klavier wurde neben dem ursprünglichen Werk verfasst, und Aino Ackté benutzte das Manuskript als Partitur bei ihren Übungen. Aino Ackté hielt das Werk für sehr schwierig, was man auch auf den Manuskriptseiten sehen kann: sie hat darauf Aufzeichnungen gemacht, um sich die schwierigen Melodien der Tondichtung Luonnotar klarer zu machen.
Das Duett Autrefois für zwei Singstimmen und Orchester stammt aus dem Jahr 1919, wie vermutlich auch die Fassung für Singstimmen und Klavier. Diese Fassung blieb jedoch in den 1920er Jahren unveröffentlicht und im Besitz des Verlegers. Sie tauchte wieder auf, als die Bibliothek der Universität Helsinki 1996 die Manuskripte des Komponisten von der Familie Hansen erwarb. So ist dieses Werk erst kürzlich in das Konzertrepertoire zurückgekehrt.
Der Brückenwächter (Siltavahti, Text von Väinö Sola) ist das Arrangement eines Chorliedes, das Sibelius 1927 für einen Männerchor der finnischen Emigranten in New York, New Yorkin Laulumiehet, komponiert hatte.