Alkohol

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Vom Starktrinker zum maßvollen Genießer

Das Nachlassverzeichnis von Johan (Jean, „Janne“) Matias Fredrik, dem Onkel von Sibelius und Familienoberhaupt, vom März 1865 enthält eine Auflistung seines Besitzes. Dazu gehörten unter anderem folgende Gegenstände, die im Familienlager in der Läntinen Tullikatu in Loviisa gelagert waren:

  • 140 Kannen Sherrywein
  • 45 Kannen Rotwein
  • 42 Kannen Portwein
  • 11 Kannen Pajonette
  • 7 Kannen Muskat
  • 7 Kannen Weinbrand
  • 3 Kannen Cognac
  • 1 Kanne Wein
  • ½ Kanne Punsch
  • 3/8 Kanne Catalana
  • 11 Flaschen Likör
  • 6 Flaschen Oloroso Wein

1 Kanne = 2,617 Liter

Die Familie Sibelius in Loviisa war nicht engstirnig. Ihre positive christliche Einstellung schloss auch einen problemlosen Umgang mit Alkohol ein. Die Weinkisten, die jährlich als Weihnachtsgeschenk im Geburtshaus des Komponisten in Hämeenlinna ankamen, stammten vermutlich aus diesem Lager.

Im Haus seiner Großmutter Katarina Borg in Hämeenlinna wurde der Alkoholkonsum jedoch strenger bewertet. Selbst in seiner Jugend wurde Jannes Alkoholkonsum wohl auf „Bier oder Porter“ beschränkt, das ein Arzt einmal zur Stärkung eines Genesenden verschrieb. Sibelius entwickelte keine besondere Vorliebe für Bier; zumindest beklagte er sich um die Jahrhundertwende in einem Brief über den schlechten Geschmack des deutschen „Biers“.

Seine Erfahrungen mit Alkohol nahmen während seiner Studienjahre in Helsinki von 1885 bis 1889 zu. Es ist bekannt, dass Sibelius etwa 1886 mit dem Kritiker Karl Flodin „Brüderschaft“ trank, und er verbrachte auch Zeit in Cafés und Restaurants mit den „Leskoviitti“, einem Freundeskreis um den Klavierlehrer Ferruccio Busoni, ab Herbst 1888. Dennoch behielt er die Kontrolle, da er im selben Mietshaus wie seine Mutter und Tante wohnte.

Erst während seiner Studienjahre in Berlin und Wien konnte Sibelius die Freuden des Alkohols in vollen Zügen genießen, wie aus seinen Briefen hervorgeht, in denen er „Champagner“ und andere angenehme Bekanntschaften erwähnt. Selbst damals betonte er in seinen Briefen an Robert Kajanus, dass er nicht immer betrunken sei.

In den frühen Jahren seiner Ehe besuchte Sibelius häufig Restaurants. Einen Eindruck von der Trinkkultur der Künstler jener Zeit erhält man, wenn man Galléns Gemälde „Symposion“ betrachtet. Demnach war 1894 im Kämp das Lieblingsgetränk Benediktiner- oder Mönchslikör. Wenn das Rezept dem heutigen ähnelte, kann man Sibelius‘ Behauptung glauben, dass eine Flasche die ganze Nacht reichen konnte. „Bei unseren Sitzungen wurde nicht so viel Alkohol getrunken, wie die Leute vielleicht denken“, betonte Sibelius später.

In diesen Jahren begann auch Sibelius‘ Weinhobby. In den 1890er Jahren schien sein Lieblingsgetränk Burgunderwein zu sein, von dem er gerne ein paar Gläser trank, bevor er seine Freunde mit Klavierimprovisationen erfreute. Wie viele andere Weinliebhaber wechselte Sibelius allmählich zu Bordeaux-Weinen und bevorzugte zunächst die weichen und vollmundigen Weine der Region St. Emilion. Von dort ging er zu immer edleren Marken über.

Zu seinen Lieblingsmarken im Alter gehörten beispielsweise die Qualitätsmarke Chateau Paveil de Luze, Chateau Pontet-Canet und das immer noch als Spitzenmarke bekannte Chateau Palmer. Im Jahr 2002 kostete eine Flasche Chateau Palmer in Finnlands Alko 96 Euro, und auch in Paris waren die Preise nicht günstiger.

Erhaltene Quittungen und ähnliche Dokumente aus dem Alltag der Familie Sibelius ab 1902 zeigen auch andere Lieblingsgetränke des Komponisten (Siehe Sibelius‘ Auswahl).

Am 20. Juli 1905 besuchte Sibelius Helsinki, um 8.000 heutige Euro von seinem Verleger Lienau abzuholen und seine Getränkevorräte aufzufüllen. Am selben Tag verkaufte Fazer alle Sibelius-Werke, die er besaß, an Breitkopf & Härtel!

Vor seiner Abstinenz 1908 kaufte Sibelius hauptsächlich Whisky und Cognac für den Hausgebrauch. Gelegentlich kaufte er Wermut und noch seltener Sherry. Die Getränke in Restaurants variierten je nach Anlass. Bei kulinarischen Genüssen mit Vor- und Nachspeisen könnte die Getränkeliste Sherry, Bier und einen Schnaps (kalte Vorspeisen), Rotwein (Hauptgericht Fleisch), einige Zwischenwhiskys, Dessertwein (süßliche Nachspeise) und Cognac (Kaffee und Zigarre) enthalten. Manchmal wurde der Abend mit Champagner und Austern fortgesetzt.

Wenn Sibelius jedoch in ein Restaurant ging, um seinen Problemen zu entfliehen, konnte er sich auch mit einem Sandwich und einer Flasche Champagner begnügen. Der späte Abend verlief dann meist eintönig, zum Beispiel: Cognac, Kaffee, Zigarre, Cognac, Kaffee, Zigarre…

Im Jahr 1908 unterzog sich Sibelius einer Halsoperation, die zu einer fast siebenjährigen völligen Abstinenz führte. Von 1915 bis zum Inkrafttreten des Alkoholverbots 1919 folgten Sibelius‘ Restaurantrechnungen dem Muster der Jahrhundertwende.

Das Alkoholverbot von 1919-1932 hinderte Sibelius nicht am Alkoholkonsum; es beschränkte nur die Auswahl der verfügbaren Qualitäten. Er erhielt auf Rezept Spiritus, Medizinalcognac und Wein aus der Apotheke in Kerava. Die Apotheken hatten auch eine gute Auswahl an Alkohol, den man mit einem Rezept „für medizinische Zwecke“ kaufen konnte.

Sibelius hatte keinen Mangel an Rezeptschreibern. So konnte er beispielsweise im Oktober 1927 eine Bestellung an die Apotheke am Helsinkier Marktplatz schicken: „10 Flaschen Whisky und 10 Flaschen Sauternes, beide von guter Marke.“

Zum Zeitpunkt des Sturzes des Alkoholverbots im April 1932 war Sibelius bereits wohlhabend. So kaufte er im Mai-Juni einen recht hochwertigen Grundstock für Ainola. Der Kauf, im Wert von 1400 heutigen Euro, belastete sein Portemonnaie nicht. Sibelius wollte die Gastfreundschaft seines Hauses wahren.

In den 1930er Jahren war Sibelius bereits ein maßvoller Alkoholgenießer. Seine Vorlieben hatten sich ebenfalls geändert; er bevorzugte süßere Sorten.

Sibelius wohnte in den 1930er Jahren für längere Zeiträume in Helsinkier Hotels, während er an seiner achten Symphonie arbeitete, aber nur wenige sahen ihn. Der alternde Komponist speiste lieber in privaten Kabinetten.

Kaufbelege aus den 1940er Jahren

Der Zweite Weltkrieg verringerte weder die Menge noch die Qualität des Alkoholvorrats in Ainola. Der gastfreundliche Gastgeber sorgte bis zu seinem Tod für seinen umfangreichen Vorrat. Mit zunehmendem Alter nahm Sibelius‘ Konsum weiter ab. Es kam sogar zu dem Wunder, dass der Herr von Ainola auf einen Grog verzichtete. Seinen Gästen erklärte er: „Ich habe schon einen gehabt“. Und das hatte er tatsächlich – im Laufe seines langen Lebens.